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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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stach allerdings die glänzende Kuppel des Serails Mohammed Alis ins Auge. Stolz und unnahbar erhob sich die ›Laterne von Alexandrien‹ aus dem Gewirr der palmenumsäumten Flachdächer, der zahlreichen Kirchen und Moscheen. Auch wenn sie mir nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt erschien, so erahnte ich doch die einstige Größe und den Glanz dieser Stadt.
    ›Die Herrin, die berühmte Mutter der Städte und glänzend in Schönheit‹, so besangen schon vorchristliche Dichter Alexandria. Damals existierten allerdings noch die sagenhafte Bibliothek mit annähernd einer Millionen Buchrollen, der Tempel der Aphrodite und der einhundertzweiundzwanzig Meter hohe Leuchtturm, der ›Pharos von Alexandria‹. Dieses von Sostratos von Knidon entworfene Weltwunder besaß angeblich einen Paternoster-Aufzug, eine ausgefeilte Beleuchtungsanlage und eine Zisterne im Keller. Doch all dies ist längst den Wirren der Geschichte zum Opfer gefallen. Die Stadt, die den Namen des mazedonischen Eroberers trägt, fiel nahezu der Vergessenheit anheim. Als Napoleons Truppen Alexandria betraten, traf man dort kaum mehr als fünftausend Einwohner an.
    Den neuen Aufschwung verdankt die Stadt eigentlich Mohammed Ali Pascha, der bis 1849 als Statthalter des Osmanischen Reiches regierte und die Bedeutung dieser alten Hafenstadt erkannte.
    Bereits 1850 verzeichnete Alexandria wieder einhunderttausend Einwohner. Seit dieser Zeit explodiert diese Entwicklung förmlich, und es ist sicher nur noch eine Frage von zwanzig oder dreißig Jahren, bis wieder die Millionengrenze überschritten wird. Längst ist die Stadt aber wieder das ›Ägyptische Tor‹ zur westlichen Welt.
    Die Einfahrt in den Hafen verzögerte sich etwas, da wir auf einen Lotsen warten mussten. Ohne Führung eines dieser ortskundigen Männer liefen die Schiffe Gefahr, an einem der mächtigen vorgelagerten Riffe zu zerschellen.
    Als die ›Bombay‹ ihren Liegeplatz erreichte, begann fast augenblicklich das Chaos des Ausbootens. Tausende von Menschen schienen gleichzeitig zu einer hektischen Betriebsamkeit erwacht zu sein. Ein babylonisches Stimmengewirr und wildes Gerenne waren die Folge.
    Während ich das Verladen unseres Gepäcks überwachte, machte sich Onkel Norm umgehend daran, eine geeignete Calèche zu ergattern. Er war bereits mit den Zuständen im Hafen vertraut und wusste, wie wichtig es war, möglichst früh für ein Transportmittel zu sorgen. Mrs. Attiya und die kleine Damiyat thronten derweil auf den Kisten wie Prinzessinnen auf einem sturmumtosten Atoll. Es ist schon erstaunlich, wie gut auch die weiblichen Mitglieder unserer Crew die Strapazen der Reise ertragen haben.
    Wir fanden im Hause von Sir William Emery Unterschlupf. In dem zweistöckigen Flachbau wurden uns große lichtdurchflutete Zimmer zugewiesen. Überall an den Wänden hingen Gemälde von David Roberts und Fotografien von Francis Frith.
    Sir Emery war schon vor über fünfzehn Jahren nach Unterägypten gereist, um hier im trockenen Klima eine Lungenkrankheit auskurieren zu können. Im Laufe der Zeit gesundete er nicht nur, er fand auch so sehr Gefallen an dem Leben in dieser neu aufblühenden Stadt, dass er auch heute nur noch sehr selten nach England fährt.
    Der wohlhabende Mann, der früher einmal im diplomatischen Dienst tätig war, ist allerdings sehr den Bestrebungen der ›Ägyptischen Forschungsgesellschaft‹ zugetan und nimmt daher jedes ihrer Mitglieder mit offenen Armen bei sich auf. Zudem freut er sich stets über Neuigkeiten aus der Heimat, die nicht in den Zeitungen zu finden sind.
    Am Nachmittag brachen wir in Gesellschaft unseres Gastgebers zu einer Besichtigungstour durch die Stadt auf – teilweise zu Fuß – teilweise mit einer Pferdekutsche. Nahezu an jeder Stelle ließ sich die besondere Lage Alexandrias festmachen; überall trafen die Einflüsse von Morgen- und Abendland aufeinander. So sah man zahlreiche üppige und prachtvolle Gebäude im europäischen Stil neben oft ärmlichen arabischen Häusern und Hütten. Der zuweilen oft lieblose Umgang mit der eigenen Geschichte ließ sich daraus ableiten, dass man in den Straßen nicht selten große Säulenteile entdecken konnte, die höchst profan als Sitzgelegenheit für Kaffee trinkende oder rauchende Araber dienten. Teile der einst so glanzvollen Architektur wurden ebenfalls bei Neubauten wieder verwendet. Besonders deutlich wurde dies bei zwei eleganten Granitsäulen, die am Eingangstor der großen Moschee verbaut worden waren. Die

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