Katzendaemmerung
ihre Ware feilbietet, auf der anderen Seite die Meerkatze, die geschickt eine Nuss zwischen ihren winzigen Fingern balanciert und dabei schon wieder gebannt auf die nächste Frucht starrt.
In manchen Momenten glaube ich mich eher an die sommerliche Seepromenade von Brighton versetzt, nicht jedoch auf ein Dampfschiff mit Kurs auf den Schwarzen Kontinent. Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn es auch weiterhin so beschaulich zuginge. Ich habe da allerdings meine Zweifel.
13. Januar: Obwohl der Wind nur unwesentlich zugenommen hatte, setzte bereits in der Nacht eine deutlich stärkere Dünung ein, die den gesamten Tag über anhielt. Das Dröhnen und Stampfen der Maschinen, verbunden mit dem Schlingern des Schiffes gewährleisteten nicht gerade einen angenehmen Schlaf. Jetzt, wo bleigraue Wolken den Übergang zwischen Himmel und Meer nur erahnen lassen, rollt der Dampfer immer stärker durch die Wellentäler.
Ich bin an längere Seefahrten und schlechteres Wetter gewöhnt, und doch spüre ich einen leichten Schwindel und Kopfschmerzen.
Oben an Deck ist es im Wind recht frisch; an der Leeseite der Kajüte las ich aber 18 Grad C ab. Schaumige Gischt sprüht wie salziger Regen über die Reling. Ich werde meine Mahlzeiten heute zur Sicherheit auf Wasser und trockenen Zwieback beschränken.
14. Januar: Das Wetter hat sich weiter verschlechtert. Nun weht uns von Osten eine steife Brise entgegen. Am Vormittag setzte zudem ein unangenehm kühler Regen ein. Kaum einer der Passagiere ist an Deck zu sehen. Viele vertreiben sich mit Essen, Rauchen, Lesen, Diskutieren oder Schachspielen die Zeit. Ich habe meinen geliebten Herodot mit in den Salon genommen, aber ich kann mich kaum auf die Lektüre konzentrieren. Onkel Norm bestreitet soeben mit einem holländischen Gewürzhändler eine Schachpartie; seine Frau ist in der Kabine geblieben, da die kleine Damiyat offenbar sehr unter dem unruhigen Seegang leidet. Hoffentlich klart bald wieder der Himmel auf. Und hoffentlich betreten meine Füße bald wieder festen Boden.
16. Januar: Der siebte Tag auf See. Nachdem auch am gestrigen Tag das stürmische und regnerische Wetter anhielt, zeigte sich heute zum ersten Mal wieder ein kleiner Fleck Blau am Himmel. Der Seegang ist ruhiger geworden, und der heftige Ostwind hat sich beinahe ganz gelegt. Lange kann es nicht mehr dauern. Die afrikanische Küste scheint in greifbare Nähe gerückt. – Ich verbringe viel Zeit oben an Deck, aber so sehr ich mich auch anstrenge, Land kann ich am Horizont noch nicht ausmachen.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden ereignete sich an Bord eine kleine Tragödie. Die putzige Meerkatze ist tot. Der Koch, der sich auf dem Weg zur Vorratskammer befand, entdeckte das leblose Tier zufällig unter einer Eisenleiter. Das kleine Äffchen war nur noch ein blutiges Fellbündel. Der Koch sagte, es habe ausgesehen, als wenn ein wildes Tier oder ein Hund das Schiffsmaskottchen zerrissen hätte. Aber außer der Meerkatze befindet sich kein weiteres Tier an Bord. Ein mysteriöser Fall. – Einige der abergläubischen Seeleute sprechen bereits von einem Schiffsgeist oder einem Meeresdämon, der sich den Affen einverleibt haben soll. Das ist natürlich blanker Unsinn. Und doch … ein unwohles Gefühl befällt selbst meinen aufgeklärten Geist. – Möge dieser seltsame Tod kein böses Omen für unsere weitere Reise sein.
17. Januar: Ständig anwachsende Möwenschwärme kündeten schon lange vor der ersten Landsichtung von der nahen Küste. Und dann, etwa gegen neun Uhr in der Frühe, tauchte Afrika endlich auf. Ein schmaler leuchtend gelber Schweif am Horizont. Ich war so aufgeregt, dass ich am liebsten über Bord gesprungen und an Land geschwommen wäre. Onkel Norm hob seine kleine Tochter auf die Schultern und wies in die Ferne. »Schau’ nur, meine Hübsche«, sagte er, »dort hinten liegt Ägypten. Zu einem Teil ist das dort deine Heimat.«
»Gypt … gypt …«, rief die kleine Damiyat freudig. Der Wirbel um die baldige Ankunft ließ das Mädchen ihre geliebte Meerkatze glücklicherweise vergessen. Mrs. Attiya, die neben ihr an der Reling stand, murmelte leise: »Hier ist deine Heimat, mein Herzblatt. Hier und nirgendwo anders.«
Ein Großteil der Passagiere versammelte sich nun an Deck, um die Ankunft in Alexandria mitzuverfolgen. Nach kaum mehr als einer Stunde erkannte ich große achtflügelige Windmühlen, die wie Wächter vor der Kulisse der Stadt aufgereiht waren. Am deutlichsten
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