Katzendaemmerung
der Absätze ließ jedoch kein Zögern erkennen. Natürlich , dachte ich. Mia und ihre Begleiterin hatten ein klares Ziel. Das Schlafzimmer. Sie konnten gar nicht schnell genug dorthin gelangen. Ich hatte diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht, als mich eine Art Stromschlag durchzuckte.
Das Schlafzimmer? Normalerweise würde ich dort gerade halbwegs friedlich vor mich hin schlummern. Und Mia wusste das!
Es dauerte eine Weile, bis ich diese beiden Tatsachen in Einklang gebracht hatte, verstehen konnte ich es aber dennoch nicht. Was in aller Welt spielte Mia diesmal für ein verrücktes Spiel? Genügte es meiner unersättlichen Geliebten nicht, auch außer Haus zu wildern? Benötigte sie etwa einen weiteren Kick, indem sie mich nun mit ihren diversen Gespielinnen und Gespielen ganz offen provozierte? Ich konnte es kaum fassen. Sollte das die Art und Weise sein, wie Mia unsere Abmachung hielt?
Nein , sagte ich mir. Ganz entschieden: NEIN! Es muss eine andere Erklärung dafür geben.
Und welche, du hoffnungsloser Naivling?, fragte mich mein höhnisches Alter Ego.
Nun ja, es wird nur eine Freundin sein, irgendeine Bekannte …
Eine ›Freundin‹? Eine ›Bekannte‹?, äffte mich mein Widersacher nach. Woher sollte Mia denn eine Freundin haben? Aus der Firma etwa? Mia arbeitet nicht.
Tja, dann eben woanders her!
Ja klar, aber sicher nicht von der Bushaltestelle oder von der Kasse am Supermarkt. Bist du wirklich so blöd? Mia – oder sollte ich nicht doch besser ›Bastet‹ sagen – hat nicht einfach nur Bekannte! Das müsste dir doch wohl langsam einleuchten. Sie sucht sich ihre Gesellschaft ganz bewusst aus. Und ihre Motive liegen dabei doch klar auf der Hand, oder etwa nicht? Nimm’ doch einfach nur dich als Beispiel …
Mein innerer Disput war gerade dabei, gefährliche, psychopathologische Dimensionen anzunehmen, als Mias Stimme dem ein Ende machte.
»Thomas? … Thomas, bist du hier irgendwo? … Heeeh … Tom!«
Jetzt rief sie auch noch nach mir. Auf Heimlichkeit legte sie diesmal wirklich keinen Wert. Ich blieb aber auch weiterhin so stumm wie eine Terrakotta-Katze. Sollte sie mich ruhig suchen. Doch warum überhaupt ›suchen‹? , fragte ich mich. Sie musste doch wissen, wo ich mich befand. Schließlich war sie eine verdammte Halbgöttin oder etwas in der Art. Warum also stellte sie nur derart dumme Fragen?
Nur wenig später tauchte ihre dunkle Silhouette im Türspalt auf. Ich wagte nicht einmal mehr, zu atmen. Für eine beängstigend lange Zeit schienen sich selbst die Luftmoleküle nicht mehr zu bewegen. Eine fast vollkommene Stille erfüllte den Raum. Was tut sie nur dort? , fragte ich mich nervös. Lauschte sie etwa? Oder gab sie ihre ganz persönliche Interpretation der Darstellung einer leblosen Skulptur? Was das betraf, so war sie mir dabei – wie bei nahezu allen anderen Dingen auch – haushoch überlegen. Vermutlich konnte sie stundenlang wie eine Sphinx vor mir stehen, ich dagegen sehnte mich schon nach kaum einer Minute nach einem tiefen Atemzug. Zudem machte sich ein hartnäckiges Jucken in meinem linken Ohr bemerkbar. Wenn ich mich nicht bald dort kratzen konnte, wäre ich reif für eine geschlossene Anstalt. Reg’ dich ab , bemerkte meine so überaus mitfühlende innere Stimme. Auf den einen Tag früher oder später kommt es nun auch wieder nicht an. Obwohl sich der Schatten nicht von der Stelle gerührt hatte, glaubte ich plötzlich, Mia stünde direkt neben mir; ein Effekt, den auch ihre grün geschminkte Botin aufs Vortrefflichste beherrschte.
»Hallo, Thomas.« Die unmittelbare Nähe dieser ruhigen, ja beinahe geflüsterten Worte erschreckte mich. Mir war, als müssten ihre Lippen meine Ohren berühren, als müsste ich ihren Atem auf meiner Haut spüren. Und dabei stand sie mindestens fünf Meter von mir entfernt.
»Was treibst du hier in diesem dunklen Büro?«, wollte sie wissen. »Was ist los mit dir? Warum antwortest du nicht auf mein Rufen?« Mia dachte aber auch jetzt nicht daran, das Deckenlicht einzuschalten. Für ihre Katzenaugen existierte offenbar so etwas wie Finsternis nicht.
»Was los ist mit mir?«, wiederholte ich gereizt. Mit einem Mal verspürte ich nur noch Wut und Frustration. »Was ist los mit dir? Wer ist diese andere Frau?«
»Ihr Name ist Jacqueline.« Ich wartete eine Weile, aber mehr wollte mir Mia scheinbar nicht über sie verraten.
»Jacqueline … ist das alles? Verdammt, du hast mir dein Wort gegeben, dass sich so etwas wie mit Joy niemals
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