Katzendaemmerung
delikaten Rundungen ausliefen, ihre Lippen, Brüste und Schenkel.
Zuweilen steigerte ich auch meinen Voyeurismus, indem ich das Schlafzimmer in ein hell erleuchtetes Fotostudio verwandelte. Ich ließ meine ›Modelle‹ entweder frei improvisieren oder gab genaue Anweisungen, die nur zu willig ausgeführt wurden. Auf diese Weise entstand eine Fotoflut, mit der ich ein Magazin wie den ›Hustler‹ für die nächsten zehn Jahre hätte versorgen können – vorausgesetzt, die Aufnahmen wären nicht wegen ›gar zu expliziter Darstellung‹ abgelehnt worden. Ich taumelte von einer Ekstase zur nächsten. Längst hatte ich Joy McMillian, Sachmet und Ach aus meinem Bewusstsein verdrängt. Begriffe wie ›Tod‹ oder ›Mordgier‹ waren einfach unvereinbar mit jenem Hochgefühl, in das mich meine lustvollen Ausschweifungen versetzt hatten. Bastets sogenannten ›Geschenke‹ wirkten auf mich wie eine Mixtur aus LSD und Crack. Während meine Umwelt und mein Gespür für die Wirklichkeit mehr und mehr an Kontur verloren, wuchs in gleichem Maße meine Gier nach weiteren Exzessen. Ich war süchtig geworden. Regelmäßige Mahlzeiten nahm ich nur noch selten ein; meist ernährte ich mich flüssig. Mit Bier und meinem alten Freund ›G. D.‹. Mein Körper zeigte erste Ausfallerscheinungen, aber ich konnte einfach nicht genug bekommen.
Auch jetzt noch blieb meine Geliebte manchmal für mehrere Tage verschwunden. Ich vermutete, dass sie diese Zeit mit anderen Männern verbrachte. Da sie offenbar spürte, dass ich an einer menage à trois mit einem männlichen ›Geschenk‹ wenig Gefallen finden würde, zog sie es vor, dieses Bedürfnis auch weiterhin außer Haus zu stillen.
Ich nahm diese amourösen Solo-Trips kaum noch zur Kenntnis; da Bastet den weiblichen Teil ihrer Eroberungen von nun an kameradschaftlich mit mir teilte, halbierte sich immerhin auch beinahe die Zahl der Nächte, in denen sie sich spontan ein anderes Bett suchte.
Bastet hatte tatsächlich recht behalten. Diesmal war es anders. Meine Geliebte war vielleicht noch wilder, noch hemmungsloser geworden, dafür aber erkannte ich in ihr das unverfälschte Wesen der göttlichen Katze, der lustvollen Schutzherrin von Musik, Tanz und Liebe.
Ihre andere dunkle Seite verblasste zu einer unliebsamen Erinnerung. Sachmet war nur noch der Schatten eines Phantoms, eine mystische Vorstellung vom Bösen.
Sieben Wochen lang huldigte ich Bastet in einem nicht enden wollenden Gottesdienst des Fleisches. Unsere Altäre waren die entblößten Leiber der zahllosen Bacchantinnen, unser Wein der Honigtau ihrer Lippen.
Sieben Wochen, eine Zeitspanne, die ganze Ewigkeiten zu dauern schien – und doch gleichzeitig kaum mehr als ein Wimpernschlag. Ich selbst empfand mich wie ein welkes Blatt, das hilflos in einem Wasserstrudel trieb. Vermutlich, so denke ich heute, wäre ich diesem irrwitzigen Spiel so lange treu geblieben, bis Schlafmangel, Alkohol und sexueller Stress meinem Körper ein mehr oder weniger natürliches Ende beschert hätten. Ein Herzinfarkt inmitten einer wüsten Orgie. Konnte man sich einen schöneren Tod wünschen?
Zwei Ereignisse führten allerdings dazu, dass mein Schicksal eine andere Wendung nahm. Ich entkam dem Strudel und überlebte. Ich bin aber weit davon entfernt, diese Rettung als glücklich zu bezeichnen.
Der erste, eigentlich recht unspektakuläre Vorfall ereignete sich irgendwann Mitte Januar …
Nur mühsam gelang es mir an diesem Morgen, die Augen zu öffnen. Blinzelnd, mit pochenden Kopfschmerzen, starrte ich zum Fenster. Dem gleißenden Licht der Sonne nach musste es schon Mittag sein. Ich stieß einen Und-wenn-schon-Seufzer aus. Hatte ich etwa irgendwelche Termine? Nein. Und selbst wenn, es gab wichtigere Dinge.
Meine Lippen fühlten sich seltsam roh an, und in meinem Gaumen vermischte sich der säuerliche Geschmack von Tabak und Gin zu einem Übelkeit erregenden Cocktail. Zu guter Letzt drückte meine Blase, als wenn sich dort der halbe Ontario-See gestaut hätte.
Nachdem ich mich aus der Umarmung einer mir völlig unbekannten Frau gewunden hatte, stakste ich – immer noch im Alkoholnebel – zum Bad. Der Tag fing also ganz normal an.
Erst als ich meinen nackten, ausgemergelten Körper eher zufällig im Spiegel entdeckte, wurde ich wieder nüchtern. Vor mir stand ein alter Mann mit tief liegenden Augen, eingefallenen Wangen und grauer Haut. Während seine Arme und Beine an dürre Stöcke erinnerten, hatte sich sein Bauch zu einer
Weitere Kostenlose Bücher