Katzendaemmerung
beträchtlichen Fülle aufgebläht. Von Budweiser gesponsert , schoss es mir durch den Kopf. »Und ›G. D.«, gluckste ich laut vor mich hin. Die jämmerliche Figur mit den roten, blutgefleckten Rattenaugen, dem fetten Schweinebauch und den krummen Marabustelzen regte einfach zum Lachen an. Es war ein Gefühl wie beim Niesen, man konnte es einfach nicht mehr zurückhalten. Explosionsartig brach es aus mir heraus. Hysterisch kichernd, heulend, schreiend und prustend wand ich mich auf dem Boden. Die plötzliche Überanstrengung meiner Bauchmuskulatur führte aber dazu, dass die ohnehin schon instabilen Säfte im Magen nun ihren Siedepunkt erreichten. Meine Innereien brannten, als hätte ich mit konzentrierter Schwefelsäure gegurgelt. Nur meiner reflexartigen Reaktion und der noch geöffneten Toilettenschüssel hatte ich es zu verdanken, dass die nun folgende Sauerei nicht auf den blitzenden Fliesen landete.
Meine Heiterkeit ließ sich aber auch durch dieses etwas unappetitliche Intermezzo nicht bezwingen; selbst als ich vorn übergebeugt vor der Toilette kniete und beinahe meine Gedärme hervorwürgte (ein Vorgang, der mir – seit ich Bastet kannte – übrigens zur lieben Gewohnheit geworden war), schüttelten mich noch verrückte Lachanfälle. Ich kam erst wieder zur Besinnung, als ich erneut in den Spiegel schaute. Die teilweise mit Erbrochenem besudelte Kreatur hatte mit einem Mal jedes Lächerliche verloren; sie war nur noch Abschaum.
Angewidert schloss ich die Augen. Ich wünschte mir diesen versoffenen Penner in die tiefsten Abgründe der Hölle, aber als ich die Augen wieder öffnete, stand er noch immer vor mir.
Überraschung! , hörte ich eine höhnische Stimme in meinem Kopf.
Ganz allmählich begann ich die Tatsache zu akzeptieren, dass dieses menschliche Wrack und ich ein und dieselbe Person waren. (Auch diese Erkenntnisprozesse schienen mir zur Gewohnheit zu werden.) So banal die Wahrheit auch sein mochte, so erhellte sie doch meine umnebelten Gehirnwindungen. Ich konnte es nicht begreifen; selbst in meiner wildesten Kneipenphase hatte ich kein derart erbärmliches Bild geboten. Und diesmal waren kaum mehr als sieben Wochen vergangen. Nur sieben Wochen! Ewigkeiten innerhalb eines Wimpernschlages.
Die Lösung lag auf der Hand. Wenn ich meinen erschreckenden Verfall aufhalten wollte, dann musste ich sofort damit beginnen. Entschlossen ging ich unter die Dusche und drehte den Kaltwasserhahn auf. Noch während die schmerzhaft-kühlen Strahlen meinen Körper und Geist reinigten, schmiedete ich erste Pläne.
Von diesem Zeitpunkt an achtete ich auch wieder auf eine ausgewogene Ernährung, bei der vor allem Gemüse und Obst im Vordergrund standen. Zusätzlich drosselte ich meinen Bier- und Gin-Konsum um mehr als die Hälfte. Was Bastets ›Geschenke‹ betraf, so beschränkte ich mich meist nur noch auf die Rolle des passiven Voyeurs. Meiner Geliebten gegenüber erklärte ich mein Verhalten damit, dass ich nur eine kleine Verschnaufpause benötigte. Da ich mich sichtlich erholte und auch weiterhin an unseren Nächten meinen Spaß hatte, nahm Bastet meine Entscheidung ohne jeden Einwand hin. Ich hatte sogar den Eindruck, sie freute sich heimlich darüber. Durch meinen Rückzug aus dem aktiven Geschehen hatte die lüsterne Katze ihre Beute schließlich wieder ganz für sich allein.
Ich dagegen begrüßte es nun regelrecht, wenn meine Partnerin ihre ein- oder zweitägigen Auszeiten nahm. In ihrer Abwesenheit konnte ich mich endlich wieder mit der nötigen Konzentration meiner stark vernachlässigten Arbeit widmen. Ich nutzte die Zeit zusätzlich dazu, um meinen immer noch angeschlagenen Körper durch gymnastische Übungen wieder auf Vordermann zu bringen.
Unsere stillschweigende Vereinbarung brachte also für beide Parteien nur Vorteile. Ich war zufrieden mit mir. Langsam wagte ich es wieder, meinem Spiegelbild in die Augen zu sehen. Auf dieser neuen Basis konnte ich selbst mit einer doppelt so wilden Bastet zusammenleben, ohne Schaden an Leib und Seele zu nehmen.
So kann es bleiben , dachte ich. Für immer.
Spätestens jetzt mussten die Schicksalsgottheiten Meschenet, Schai und Renenet entschieden haben, dass es Zeit für eine Kursänderung war. Das Wort ›immer‹ in den Gedanken eines Menschen war allein schon Blasphemie. ›Immer‹ beschrieb ausschließlich göttliche Zustände; mit einer Ausnahme: dass Menschen eben immer nur Menschen, Sterbliche, bleiben würden.
Die Strafe für meine Verfehlung
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