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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Brennen in meinen Nägeln, doch ich misstraute selbst dieser Empfindung. Träumte ich diesen Schmerz am Ende nur, oder spürte ich ihn tatsächlich? Ich wusste es nicht. Schlagartig hatte sich meine Wahrnehmungswelt in ein Chaos verwandelt. Traum und Wirklichkeit flossen ineinander.
    Ich beobachtete, wie sich die Katze dem Bus näherte und schließlich im Inneren verschwand. Doch auf welcher Bewusstseinsebene spielte sich diese Szene ab? Wiederholte sich etwa nur mein Traum, oder geschah dies dort in der realen Welt? Ein zufälliges Déja-vu?
    Vielleicht aber, so dachte ich, existierte noch eine dritte Ebene, eine Ebene – losgelöst von Zeit und Raum – die ihre eigene Wirklichkeit erschuf. Doch, wie auch immer, im rostenden Gerippe des alten Überlandbusses lief offenbar alles zusammen. Zum tausendsten Mal starrte ich das halbierte Wrack an. Der trostlose Eindruck täuschte; hinter den zersplitterten Scheiben gab es mehr als nur staubige Leere. An diesem Ort musste sich so etwas wie ein Knotenpunkt befinden, eine Schnittstelle zwischen allen Wahrscheinlichkeits-Ebenen.
    Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Jetzt bist du aber wirklich durchgeknallt, mein Lieber, sagte ich mir. Wahrscheinlichkeits-Ebenen! Das klingt ja wie eine wilde Mixtur aus Einstein, Hawking und Asimov. Das Ding dort in der Senke ist schlicht und ergreifend ein Bus, nicht mehr und nicht weniger.
    Mit einem Keller , fügte mein plötzlich wieder erwachter Advocatus hinzu.
    Okay , gab ich zu. Du hast ja vollkommen recht. Nur mit Widerwillen erinnerte ich mich daran, wie ich in der modrigen Höhle ein Grab geschaufelt hatte. Doch was hat das hiermit zu tun?, wand ich ein. Ein Grab ist nicht gerade etwas Besonderes. Also, es bleibt, was es ist. Ein stinknormaler Bus mit einem etwas ungewöhnlichen Keller. Sonst nichts! Trotzdem blieb ich noch eine ganze Weile am Fenster stehen. Ich hoffte darauf, die Katze wieder herauskommen zu sehen, doch nichts rührte sich. Wüstenartige Stille, wohin man auch blickte. Beinahe schien es, als wollte mich die Gegend von ihrer Harmlosigkeit überzeugen.
    Die Taktik ging auf. Schon fragte ich mich ernsthaft, ob ich die Katze überhaupt gesehen hatte. War sie vielleicht nur eine Art Nachbild meines Traums gewesen? Als ich die Jalousie wieder schloss, war dies die einzige Erklärung, die ich gewillt war zu akzeptieren. Blatchfords Bericht hatte meine Augen ermüdet und sie dadurch für optische Täuschungen empfänglich gemacht. Alle übrigen Ideen waren nichts weiter als wirre Produkte meiner völlig überspannten Psyche.
    Schluss damit! , sagte ich mir. Ich ging zum Tisch, schob mir die Kladde unter den Arm und begab mich auf direktem Weg zum Büro. Irgendwo in der Tiefe einer Schublade ließ ich das verwirrende Manuskript verschwinden. Für immer, wie ich hoffte.
    Halbwegs entspannt lehnte ich mich daraufhin in meinem Sessel zurück und schloss die Augen. Ich stellte mir einen einsamen Strand auf Hawaii vor, eine grün-bläulich schimmernde Lagune mit sanft geneigten Palmen und weißem Sand. Leise plätschernde Wellen umspülten meinen ausgestreckten Körper. Alle Probleme und Ängste des Alltags hatten hier jede Bedeutung verloren. Glücklich schwebte ich in einer paradiesischen Idylle aus Licht und Wärme.
    Als ich die Lider endlich wieder aufschlug, war der autogene Effekt schlagartig verschwunden. Ich starrte direkt auf ein Höllenszenario. Zerfall, Verwesung und Tod lagen über einer düster-morbiden Steinwüste. Ich stöhnte laut auf. Es war die letzte Aufnahme meiner Mini-Serie, in der ich versucht hatte, kritische Impressionen der Hausruinen wiederzugeben. Nach wie vor hingen die fünf großformatigen Abzüge wie variierte Warhol-Siebdrucke an der Wand. Selbst hier in meinem Büro konnte ich also dem Anblick dieser trostlosen Landschaft nicht entfliehen.
    Wenn’s weiter nichts ist , dachte ich. Gottlob gab es noch Dinge, die man auch ohne große Mühe selbstständig ändern konnte.
    Nachdem ich die Fotos mit wenigen Handgriffen entfernt hatte, suchte ich in meinen chaotisch sortierten Ablagen nach dem Rest der Serie. Da ich die Bilder vorläufig nicht mehr sehen wollte, konnte ich sie doch gleich an Donelly schicken. Vielleicht gelang es meinem rührigen Agenten ja, sie in einer Galerie unterzubringen. Oder aber er zeigte sie einem befreundeten Verleger. Nach dem ›Verschwinden‹ von Joy McMillian verspürte ich nämlich wenig Lust, nochmals bei Daguerre Books vorzusprechen. Da mich auch Rosenberg

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