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Katzendaemmerung

Katzendaemmerung

Titel: Katzendaemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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In einem schmalen Lichtstreifen, den der Mond auf die Bustür warf, erspähte ich für einen kurzen Moment deutlich einen Teil des Kadavers. Seitlich, am blutigen, bis zur Unkenntlichkeit zerfetzten Rumpf, baumelte … ein schlanker, graziler Arm, an dem leise mehrere Silberreifen klirrten. Durch die ruckhaften Bewegungen der Löwin sah es so aus, als würde er mir zuwinken. Wie Captain Ahabs Arm. Auch diese Verdammte lud mich mit ihrer letzten Geste zu sich ins Reich der Toten ein.
    Ich schrie auf, und während ich schrie, veränderte sich der Traum erneut. Ich hing wieder weit herausgebeugt im Küchenfenster, doch in meinen Fingern hielt ich keine Tierskulptur mehr.
    Die Katze war lebendig geworden.
    Ungläubig starrte ich auf das sich windende und fauchende Geschöpf. Während ich noch überlegte, was ich tun sollte, biss mich die Katze plötzlich in die Hand, genau in den empfindlichen Teil zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Schmerz zwang mich dazu, meinen Griff zu lösen.
    Geschickt drehte sich die Katze in der Luft und landete wohlbehalten auf allen Vieren im Hinterhof. Ich verfolgte ihren Schatten bis hinüber zum Bus. Dort, nur wenige Meter vom Eingang entfernt, ließ sie sich nieder. Bewachte sie diesen unheiligen Ort oder wollte sie mich auf etwas aufmerksam machen? Ich hatte keine Gelegenheit dazu, eine Antwort zu finden, denn an dieser Stelle endete der Traum.
    Anders, als sonst, erwachte ich diesmal jedoch nicht. Bis zum Morgen drängten sich noch weitere Traumgespinste auf die Leinwand in meinem Kopf. Als ich die Augen aber aufschlug, verflüchtigten sich diese Bilder wie Wolken über der Wüste.
    Lediglich die Katzen waren in meinem Gedächtnis geblieben. Im ersten Augenblick des Erwachens erschienen mir die Szenen mit Sachmet und Bastet als vollkommen real. Erst, nachdem ich meine Hände mehrmals erfolglos nach Bissspuren untersucht hatte, akzeptierte ich die Möglichkeit, alles nur geträumt zu haben.
    Vollkommen beruhigte mich diese Erkenntnis allerdings nicht; noch eine halbe Stunde später zitterten meine Hände so stark, dass ich einen Teil des Frühstück-Kaffees über meine Hose schüttete.
    Nur geträumt , dachte ich bitter. Bei Bastet existierte ein derartiges nur einfach nicht. Ich wusste nicht, wer mir die Träume schickte, doch sie enthielten weit mehr als die unterbewusste Verarbeitung von Alltagserlebnissen. Es waren Visionen, verschlüsselte Botschaften. Warnungen. Versunken kaute ich auf einer kalten Toastscheibe.
    Was genau teilten sie mir aber mit? Die erste Serie der Löwen-Träume hatte einen klar erkennbaren roten Faden besessen: Ich war Zeuge geworden, wie sich die große Katze unaufhaltsam ihren Weg zu mir gebahnt hatte, durch Wüsten und Betonschluchten, bis hin zu jenem widerlichen Ödland hinter unserem Haus.
    Und was war tatsächlich geschehen? , fragte ich mich. Die Antwort lag auf der Hand. Die wilde Bestie war in der Tat zu mir nach Glenbrook gekommen, allerdings in einer menschlichen Inkarnation. Erstmals hatte sich mir die ›andere Bastet‹ offenbart. Ihre dunkle Seite. Sachmet!
    Ich umfasste die Tasse mit beiden Händen und führte sie so recht zielsicher an meine Lippen. Der dampfende Kaffee verbrühte mir fast die Zunge, doch ich brauchte das Zeug. Wenn ich die nächtliche Botschaft richtig entschlüsseln wollte, musste ich jede noch so kleine Windung in meinem Schädel auf Hochtouren bringen.
    Stöhnend senkte ich meinen Kopf und schloss die Augen. Vorausgesetzt, es gab einen direkten Bezug zwischen Traum und Wirklichkeit, grübelte ich, so war der Zeitpunkt des Traumes von entscheidender Bedeutung. Doch warum plagte mich ausgerechnet jetzt wieder dieser Nachtmahr, nach einer Pause von mehreren Monaten? Hatte sich vielleicht etwas Entscheidendes verändert? 
    Eigentlich nicht , dachte ich. Nach der Sache mit Joy war Bastet ihrem Versprechen treu geblieben. Sie wilderte zwar auch weiterhin in fremden Revieren, ihre wechselnden Partner nahmen dabei aber keinen Schaden. Bist du dir da vollkommen sicher? , fragte ich mich plötzlich. Sah ich nicht nur das, was mich meine liebeshungrige Geliebte sehen lassen wollte? Ein weiterer Schwall heißen Kaffees brannte sich seinen Weg durch meine Kehle. Denk nach!, spornte ich mich an. Denk genau nach, auch wenn es wehtut. Meine Gefühle durften mich nicht daran hindern, die Wahrheit zu erkennen.
    Als Natascha hatte mir Bastet ihr wahres Wesen verheimlicht, jetzt lebte sie es dagegen offen aus. Offen? Nun, in gewisser

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