Katzendaemmerung
nur ein paar Sachen für Donelly abgeschickt«, erwiderte ich wahrheitsgemäß. »Danach war ich noch ‘ne Kleinigkeit essen. Bei der Arbeit finde ich irgendwie nie Zeit dazu. Hätte ich allerdings geahnt, dass ein derart attraktiver Besuch hier auf mich wartet, hätte ich selbstverständlich auch den größten lukullischen Reizen widerstanden.« Die letzten schmeichlerischen Worte unterstrich ich durch eine Verbeugung in Richtung der jungen Dame neben Mia. Ein leichtes Auffrischen ihrer Gesichtsfarbe zeigte mir, dass das Kompliment angekommen war.
Sie mochte etwa Mitte Zwanzig sein und trug schulterlanges, schwarzes Haar. Ihr dunkler Teint und die stark ausgeprägten Wangenknochen verrieten eine mexikanische Abstammung. Große, ausdrucksstarke Augen und sinnliche Lippen verliehen ihrem Gesicht eine jugendlich-erotische Note. Und auch das Übrige konnte sich sehen lassen. Ihr schlanker wohlgeformter Körper steckte in einem hautengen schulterfreien Baumwollkleid. Das tiefe Dekolleté bedeckte dabei nur notdürftig ihre üppigen Brüste. Alle Achtung , ging es mir unweigerlich durch den Kopf, wenn das hier allein der ›Nachtisch‹ war, dann musste die ›Hauptspeise‹ wirklich vorzüglich gewesen sein. Mia mochte sein, wie sie wollte, aber sie besaß einen exzellenten Geschmack. Momentan gefiel sich meine vielseitige Geliebte allerdings erst einmal in der Rolle der Gastgeberin.
»Darf ich vorstellen? Rosalie, das ist also Thomas, der aufstrebende Komet am Fotografenhimmel. Nimm’ dich aber bloß vor ihm in Acht; der harmlose Eindruck täuscht. Tief in ihm schlummert ein Raubtier.«
Rosalie quittierte diese Bemerkung mit einem Kichern. Auf mich wirkte die Anspielung jedoch alles andere als erheiternd. Wenn die dunkle Schönheit geahnt hätte, dass das wirkliche Raubtier ihr gerade zärtlich das Knie tätschelte, wäre ihr das Lachen sicher schnell vergangen.
Ich ging hinüber zum Sofa und gab der jungen Frau einen formvollendeten Handkuss. »Ich bin entzückt, ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte ich, »aber nehmen sie Mias Kommentare nur nicht zu ernst. Sie neigt dazu, von mir und den Männern allgemein wahre Schreckensbilder zu entwerfen. Alles, nur um von sich selbst abzulenken.«
In Mias Augen blitzte es kurz auf. Touché , dachte ich. Unser kleines Gefecht schien ihr regelrecht Freude zu bereiten. Grinsend nahm ich in einem Sessel Mia gegenüber Platz.
Rosalie ließ ihren Blick prüfend zwischen uns hin und her wandern. »Tja«, meinte sie schließlich, »ihr beide macht es mir wirklich nicht leicht. Ich glaube, da werde ich mir wohl noch ein eigenes Urteil bilden müssen.«
»Tu das ruhig, Schatz«, pflichtete ihr Mia bei. »Aber Männer und Migräne fangen nicht zufällig beide mit einem großen ›M‹ an.«
»Jetzt mach’ aber mal halblang«, entrüstete ich mich, »du klingst ja schon schlimmer, als eine von diesen ›NOW‹-Emanzen.«
Mia ging gar nicht erst auf meinen Einwand ein. »Habe ich dir übrigens schon erzählt, dass Rosalie möglicherweise Spaß daran hätte, als Model zu arbeiten? Als ich ihr von deinem Job erzählte, wollte sie dich unbedingt kennenlernen.«
»Ach ja?« Ich konzentrierte mich wieder voll auf unseren Gast. »Ich hoffe nur, Sie haben nicht gar zu romantische Vorstellungen von diesem Beruf. Viele Mädchen glauben nämlich, es reiche aus, gut auszusehen und gelegentlich einmal in die Kamera zu lächeln. Schön wär’s. In Wahrheit erwartet die Models aber ein knallharter Job.
Nicht selten dauert ein Shooting sechs oder acht Stunden, die Zeiten für Anfahrten und Make-up noch nicht mitgerechnet. Da bleibt kaum eine Chance für langes Ausschlafen und ein genüssliches Frühstück im Bett.«
»Ja, ja, ich weiß«, lachte Rosalie. »Nur noch strenge Diäten, meist aber Zigaretten und ›GHB‹, ständige ›Go-Sees‹, ewiges Warten hinter der Bühne in kleinen beengten Zimmern, kaum Freunde und jeder Pikkel auf der Stirn ein Auslöser für tiefe Depressionen.«
Als sie meinen leicht erstaunten Gesichtsausdruck sah, wurde ihr Lächeln noch breiter – noch anziehender. »Ich bin keine Träumerin, falls Sie das von mir denken, Thomas. Seit zwei Jahren jobbe ich nebenbei, um mir mein Studium an der ›UCLA‹ zu finanzieren. Eigentlich will ich später mal Biologin werden, am liebsten bei einer Umweltorganisation. Falls sich aber die Gelegenheit ergäbe, als Model Karriere zu machen, würde ich nicht ›nein‹ sagen. Ich lass’ die Dinge einfach auf mich
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