Katzenjammer
zuverlässigen Mitbewohner – nämlich mich. Und zum anderen scheint sie frisch verliebt zu sein. Und das, obwohl sie den Typen neulich noch unangespitzt in den Boden rammen wollte. Tja – und heute früh kommt sie bestens gelaunt und fröhlich pfeifend in unsere Wohnung spaziert. Mit dem Herrn Nachbarn an der Hand. Die beiden haben zusammen gefrühstückt, was gar nicht so einfach war, weil sie sich zwischendurch immer küssen mussten. Und dann ist sie mit ihm wieder abgedüst. So schnell kann’s also gehen mit dem Glück.«
Ich bin beeindruckt. Aber nur kurz. Dann fallen mir alle Sachen wieder ein, die bei mir für extremes Kopfzerbrechen sorgen.
»Trotzdem. Ich fürchte, dein Verdacht war richtig. Bei Marc und Carolin sieht es eher so aus, als würde dort alles mächtig schiefgehen. Wegen eines ganz blöden Missverständnisses.«
Ich schildere Herrn Beck haarklein die ganze Geschichte von Caro, Marc und Sabine und zwar inklusive des Treffens im Violetta und des verdächtigen Buches. Beck hört aufmerksam zu und schüttelt hin und wieder den Kopf.
»Und leider ist das mit dem fehlenden Happy End nicht auf Menschen beschränkt: Ich weiß immer noch nicht, ob ich jemals wenigstens ein Rendezvous mit Cherie haben werde. Denn irgendjemand hat die blöde Tasche aus dem Blumenbeet geklaut.«
»Ja, das habe ich auch schon gesehen. Ärgerlich, aber kein Drama.«
»Kein Drama? Mit unserem tollen Plan ist es jetzt Essig! Die ganze Mühe umsonst. Ach, es ist einfach alles aussichtslos. « Frustriert lasse ich mich neben Beck ins Gras fallen. Wenigstens fühlt sich das gut an, denn es ist warm und weich.
»Herkules, das ist ein klarer Fall von Katzenjammer, den du da gerade hast.«
» Katzenjammer ? Was ist denn das? Klingt wie etwas, das Hunde gar nicht bekommen können.«
Herr Beck schüttelt den Kopf. »Nee. Den kann jeder kriegen, der eigentlich besonders gut gelaunt ist. Damit hängt der nämlich zusammen. Mit der guten Laune, oder besser gesagt: mit zu guter Laune. Also, wenn sich jemand ganz doll freut und dann plötzlich merkt, dass doch nicht alles so rund läuft, wie er dachte, dann ist er natürlich besonders enttäuscht. Und diese Enttäuschung nennt man Katzenjammer . Was eigentlich eine Frechheit ist, weil gerade wir Katzen doch viel zu schlau sind, um so übertrieben euphorisch zu sein. Es müsste vielleicht eher Hundeunglück heißen.«
Na, vielen Dank. Wenn mir noch etwas gefehlt hat, dann Becks Schlaumeierei. Ich rapple mich wieder auf und laufe in Richtung Terrassentür zur Werkstatt. Anstatt mich weiter verspotten zu lassen, gucke ich mal, ob es nicht wenigstens etwas zu fressen für mich gibt. Immerhin ist die Mittagszeit schon fast vorbei.
»He, warte doch!«, ruft mir Beck hinterher. »Das war nicht so gemeint! Entschuldige!«
Pah. Der kann mich mal. Bevor ich jedoch die Treppen zur Werkstatt hinunterspringen kann, kommt Herr Beck im gestreckten Galopp angeprescht und direkt neben mir zu stehen.
»Hallo, Herr von Eschersbach! Ich habe mich entschuldigt. Nun sein Se mal nicht nachtragend, sondern lassen Sie uns lieber überlegen, wie wir Sie aus diesem Stimmungstief wieder nach oben kriegen.«
Ich setze mich.
»Na gut. Was schlägst du vor?«
»Mal sehen. Die Sache mit der Tasche, um die kümmere ich mich. Es war meine Idee, also bringe ich das auch zu Ende. Wirst schon sehen.«
»Aber wie willst du das denn machen? Ohne die Tasche geht’s doch gar nicht. Wir hätten sie einfach besser verstecken müssen – sie draußen liegen zu lassen war echt hirnrissig.«
»Mag sein, aber Selbstvorwürfe bringen uns nun auch nicht weiter. Und Aufgeben kommt nicht in Frage. Mir wird schon etwas einfallen. Mir fällt immer etwas ein.«
Ich seufze. Der Kater scheint wild entschlossen.
»Und mit Marc und Carolin?«
»Auch da würde ich sagen: nur die Ruhe. Denn sein wir mal ehrlich: Wenn Carolin mittlerweile so wenig Vertrauen zu Marc hat, dass sie ernsthaft glaubt, er würde hinter ihrem Rücken wieder was mit seiner Exfrau anfangen, dann kannst du auch nichts dran machen. Wenn sie ihn wirklich liebt, muss sie sich ein Herz fassen und mit ihm sprechen. Dir empfehle ich, dich da rauszuhalten. Das ist eindeutig Menschenkram.«
Wahrscheinlich hat Beck Recht. Ich sollte mich da raushalten. Das wird mir allerdings verdammt schwerfallen. Vielleicht haben wir auch Glück, und alles regelt sich von selbst? Ich beschließe vorzufühlen, ob die Stimmung in der Werkstatt vielleicht schon ein bisschen
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