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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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schätzen und ohne zu wissen, wie er zum Prellbock sämtlicher Kräfte der spanischen Geschichte geworden war. Über diese wenig beneidenswerte Stellung meditierte er, als die Toñina die Augen öffnete und sich umschaute, wie um sich zu erinnern, wo sie sich befand und wie sie hier gelandet war. Schließlich deutete sie ein entschuldigendes Lächeln an und flüsterte: «Verzeih. Ich bin eingeschlafen, ohne es zu merken. Wie spät ist es?»
    «Halb zehn.»
    «So spät … Und vielleicht hast du noch nicht einmal zu Abend gegessen.»
    Sie wollte aufstehen, doch Anthony hielt sie im Bett zurück und beschwor sie zu schlafen. Dann schloss er das Fenster, rückte den Stuhl an den Tisch und verzehrte den Rest der am Nachmittag gekauften Speisen und trank einen großen Teil des Weins dazu. Als er fertig war, schlief die Toñina wieder. Anthony schlug sein Heft auf, um endlich seine Notizen zu machen, aber er kam nicht dazu, auch nur ein Wort hinzuschreiben. Die Müdigkeit der letzten Tage übermannte ihn, er verwahrte die Feder, klappte das Heft zu, zog sich aus, knipste das Licht aus und legte sich ins Bett, wo er sachte die Toñina etwas beiseiteschob. Morgen werde ich mich ihrer auf irgendeine Weise entledigen, dachte er. Aber im Moment verschaffte ihm in seiner angstvollen Situation die warme Gesellschaft dieses neben ihm schlafenden Kindes ein ebenso falsches wie tröstliches Gefühl der Geborgenheit.

26
    Das helle, durch die Fensterläden eindringende Licht zeigte dem schlaftrunkenen Anthony Whitelands, dass es schon spät war. Die Uhrzeiger standen auf halb zehn, und neben ihm schlief weltverloren die Toñina. Während er im Kopf die Ereignisse des Vortages zu ordnen und eine Bilanz seiner Situation zu ziehen versuchte, stand er auf, machte sich zurecht, schlüpfte in die Kleider und verließ leise das Zimmer. In der Rezeption bat er um die Erlaubnis, das Telefon zu benutzen, und wählte die Nummer des Herzogs von Igualada. Der Butler sagte, Seine Exzellenz könne nicht an den Apparat kommen. Es sei sehr dringend, beharrte der Engländer, wann er denn mit dem Herrn Herzog sprechen könne. Oh, der Butler sei nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten; Seine Exzellenz habe die Bediensteten nicht über seine Pläne informiert. Das Einzige, was er dem Herrn empfehlen könne, sei, in kurzen Abständen immer wieder anzurufen. Vielleicht habe er Glück.
    Verdrießlich kehrte Anthony ins Zimmer zurück, wo er auf eine angekleidete Toñina traf, die eben gehen wollte. Sie hatte sorgfältig das Bett gemacht und alles andere ein wenig hergerichtet. Die Läden waren offen, und die Sonne strahlte herein. «Ich bin ein paar Stunden weg, wenn’s dir nichts ausmacht», sagte das Mädchen. «Ich muss nach meinem Kind schauen. Aber ich kann auch vorher zurückkommen, wenn du möchtest.»
    Kurzangebunden sagte Anthony, sie solle machen, was sie wolle, sofern sie ihn nur in Frieden lasse, und die Toñina huschte niedergeschlagen davon. Als er allein war, begann Anthony im Zimmer hin und her zu tigern wie ein Raubtier im Käfig. Zweimal setzte er sich vor sein Notizheft, und zweimal stand er wieder auf, ohne etwas hingeschrieben zu haben. Ein erneuter Versuch, mit dem Herzog zu sprechen, prallte an der knappen Abfuhr durch den Butler ab. Anthony zerbrach sich den Kopf, was der Grund für diesen plötzlichen Stimmungswandel des Herzogs sein mochte. Vielleicht wusste er, dass die Polizei seine Pläne kannte, und wartete lieber auf einen günstigeren Augenblick, um sie auszuführen, aber wenn dem so war, warum hatte er es ihm denn nicht gesagt, statt ihn abblitzen zu lassen? Wenn er seiner Loyalität nicht traute, dann musste er den Argwohn so schnell wie möglich zerstreuen.
    Mit diesem Wirbel im Kopf wurde ihm die Enge des Zimmers unerträglich. Nach der erholsam durchschlafenen Nacht und bei der strahlenden Sonne hoch am blauen, durchsichtigen Himmel kamen ihm die Ängste vom Vortag kindisch vor. Ohne Lord Bumblebees Worte in den Wind zu schlagen, erachtete er es für unwahrscheinlich, dass sich ein Agent des sowjetischen Geheimdienstes mit jemand politisch so Unwichtigem wie ihm befasste. Und selbst wenn sich ihre Wege kreuzen sollten, am heiterhellen Tag und mitten in der Menge auf einer Straße im Zentrum konnte ihm nichts geschehen. Von den Vorräten war nichts übriggeblieben. Als hätte er mit seinen Problemen nicht schon genug am Hals, musste er jetzt auch noch einen Mund mehr füttern.
    Als er auf die Straße hinaustrat,

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