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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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Eltern behandelten, als wäre er noch ein Kind. Auf familiären Druck studiere er Jurisprudenz, allerdings ohne Lust und Neigung; seinem Temperament nach sei er Dichter, nicht nach Art der Romantiker oder Hirtendichter, sondern nach Marinettis Schule. Dichtkunst und aktive Politik nähmen sein ganzes Denken in Beschlag. Vielleicht habe er deshalb auch keine Freundin. Auf der Uni habe er sich der Spanischen Studentenorganisation angeschlossen, zuerst von den Gedanken der Falange angezogen, dann von der magnetischen Persönlichkeit ihres Führers. Derzeit arbeite er in seinen freien Stunden im Sitz, wo er bei den Organisations- und Propagandaarbeiten behilflich sei. Diese bürokratische Tätigkeit, fügte er eilig hinzu, schließe die direkte Teilnahme an öffentlichen, oft mit Gewalt verbundenen Veranstaltungen nicht aus.
    «Was mich hierherführt», fuhr Guillermo del Valle fort, «so will ich versuchen, es so gut wie möglich zu erklären. Meine Gedanken sind immer noch ein wenig durcheinander. Aber wenn du mir bis zum Ende zuhörst, wirst du den Grund meiner Besorgnis verstehen – und auch, warum ich gerade dich ausgesucht habe, um sie dir zu erzählen.»
    Wieder machte er eine Pause und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, während er sich unablässig in dem kleinen Raum umblickte. «Ich komme direkt zum Wesentlichen. Im Schoß der Falange geht etwas Merkwürdiges vor. Ich habe den Verdacht, dass sich ein Verräter unter uns befindet. Ich meine nicht einen Polizeispitzel. Damit haben wir immer schon gerechnet – mit uns wäre nicht sehr viel los, wenn sich das Innenministerium nicht die Mühe genommen hätte, uns aus der Nähe zu überwachen. Wir sind viele, und es ist unmöglich, die Loyalität jedes einzelnen von uns zu garantieren. Wie gesagt, das ist nicht sehr wichtig, und wegen einer solchen Lappalie wäre ich nicht gekommen. Ich meine eine andere Art von Verrat.»
    Nachdem das Problem dargelegt war, wurde Guillermo del Valle ruhiger, und sein Selbstgespräch nahm einen freundschaftlicheren, fast vertraulichen Ton an. Obwohl noch sehr jung und unerfahren, erfreute er sich einer ungewöhnlichen Stellung, um seine Partei bis in alle Winkel zu kennen, und er sah sowohl den José Antonio in seiner Facette als energischen Chef, der seiner selbst, seiner Gedanken und seiner Strategie sicher war, als auch, im kleinen Familienkreis, in Paquitas Gesellschaft, den menschlichen José Antonio in seiner Unentschlossenheit, seinen Widersprüchen und seinen müden, mutlosen Momenten, Schwächen, die er nicht einmal vor seinen intimsten Freunden zeigen konnte. Das hatte es Guillermo erlaubt, die schreckliche Einsamkeit des Chefs zu erkennen.
    Als er ihm so zuhörte, erkannte Anthony diesen reichen, verwöhnten, kindlich aussehenden und sich lässig gebenden jungen Burschen, den Scharfsinn und die getriebene Intelligenz, die er bei seinen Schwestern hatte feststellen können. Das alarmierte den Engländer: In den letzten Tagen hatte er sich mehrmals wie ein Spielzeug in den Händen der beiden Frauen gefühlt, und er war nicht bereit, diese Erfahrung mit einem Grünschnabel zu wiederholen. «Ich verstehe, was du mir erzählst», sagte er, «aber was soll das alles mit dem Verrat zu tun haben?»
    Der junge Falangist stand vom Stuhl auf und tat, die Nähe des Fensters meidend, erregt einige Schritte im Zimmer. «Verstehst du das denn nicht?», rief er. «Jemand versucht, José Antonio aus dem Weg zu räumen, um die Zügel der Revolution selbst in die Hand zu nehmen oder sie vielleicht im Keim zu ersticken.»
    «Das ist doch nicht mehr als eine Vermutung, Guillermo. Gibt es irgendeinen Umstand, der sie stützt?»
    «Das ist es ja», sagte Guillermo del Valle sehr erregt, «wenn es den geringsten Beweis gäbe, irgendeinen Hinweis, würde ich direkt zum Chef gehen und ihm ohne Umschweife alles erzählen. Aber wenn ich mit leeren Händen komme, mit reinen Vermutungen, wie wird er das aufnehmen? Er wird fuchsteufelswild werden und mir eine Dosis Rizinus verabreichen lassen. Und doch weiß ich, dass mich die Intuition nicht täuscht. Irgendetwas Wichtiges geht da vor, etwas mit grauenhaften Folgen für die Bewegung und für Spanien.»
    Um ihre unterschiedliche Einstellung zu betonen, ließ Anthony einen Moment verstreichen, ehe er antwortete. «Das ist das endemische Problem der Spanier», sagte er schließlich mit ausgebreiteten Armen, als wollte er die ganze Bevölkerung umfassen. «Ihr habt Intuition, aber es fehlt euch an

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