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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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packen, auf die Straße zu stellen und ihr einen Tritt in den mickrigen Hintern zu geben. Menschen schlichten Gemüts und niederer Herkunft verstanden nur diese Sprache. Vielleicht würde der Empfangschef Gewalt in der Hotelhalle missbilligen, aber zweifellos seine Lage verstehen und sich mit ihm solidarisieren. Angeregt von diesem Gedanken, legte Anthony der Toñina eine Hand auf die Schulter und schaute sie scharf an. «Du hast seit gestern nichts gegessen, nicht wahr?», fragte er. Und als sie wortlos nickte, fügte er hinzu: «In dieser Tüte sind Lebensmittel. Komm mit rauf ins Zimmer, und dann kriegst du einen Happen. Danach sehen wir weiter.»
    Anschließend wandte er sich an den Empfangschef, der die Szene neugierig verfolgte. «Ich bin in meinem Zimmer und will unter keinen Umständen gestört werden», sagte er.
    Der Empfangschef zog die Brauen in die Höhe, als wollte er Maßnahmen ergreifen, um die Achtbarkeit des Hauses zu gewährleisten. Als sie das bemerkte, stieg die Toñina drei Stufen zu Anthony hinauf und flüsterte ihm ins Ohr: «Gib ihm ein Trinkgeld.»
    Hastig zog er ein Fünf-Peseten-Stück aus der Tasche, ging die Treppe hinunter und legte es auf den Empfangstisch. Der Empfangschef steckte es kommentarlos ein und ließ dann den Blick über die Profilleisten an der Decke schweifen, während Anthony und die Toñina treppauf liefen.
    Im Zimmer überreichte er dem Mädchen die Tüte mit den Lebensmitteln, schärfte ihr ein, etwas fürs Abendessen aufzuheben, ließ sich angezogen aufs Bett fallen und schlief sofort ein. Als er erwachte, lag das Zimmer im Halbdunkel; es war Nacht geworden, und durchs Fenster drang nur die matte Helligkeit der Straßenbeleuchtung herein. Zusammengeknäuelt schlief die Toñina neben ihm. Vor dem Hinlegen hatte sie Kleider und Schuhe ausgezogen und Anthony mit dem Laken und dem Bettüberwurf zugedeckt. Er drehte sich um und sank erneut in friedlichen Schlaf.
    Aus diesem Frieden riss ihn ein hartnäckiges Klopfen an der Tür. Er fragte, wer da sei, worauf eine Männerstimme antwortete: «Ein Freund, mach auf.»
    «Und wer bürgt mir für Ihre guten Absichten?»
    «Ich selbst», antwortete die Stimme. «Ich bin Guillermo, Guillermo del Valle, der Sohn des Herzogs von Igualada. Wir haben uns bei meinen Eltern kennengelernt, und neulich habe ich dich abends bei José Antonios Stammtisch im Heiteren Wal gesehen.»
    Die Unterhaltung hatte auch die Toñina geweckt. Da sie sich ihrer Herkunft bewusst und möglicherweise solche kritischen Augenblicke gewohnt war, sprang sie vom Bett, versteckte ihre geringe Habe darunter, raffte die verstreuten Kleider zusammen und verschwand im Schrank. Anthony klopfte seinen Anzug zurecht und öffnete die Tür.
    Sogleich stürmte Guillermo del Valle herein. Wie immer war er elegant-nachlässig gekleidet. Mit offenem, sympathischem Lächeln gab er Anthony die Hand.
    «Entschuldige, dass ich dich mitten in diesem Durcheinander empfange», sagte der Engländer. «Ich habe keinen Besuch erwartet. Eigentlich habe ich unten ja hinterlassen, sie sollen unter keinen Umständen jemanden raufschicken.»
    «Ach ja», sagte Guillermo, und das Lächeln wurde zu jugendlichem Kichern, «der Typ unten wollte mich nicht reinlassen. Da hab ich ihm die Pistole gezeigt, und das hat ihn überzeugt. Ich bin kein Killer», fügte er eilig hinzu, als er sein Gegenüber bleich werden sah. «Unter normalen Umständen hätte ich dich nicht gestört. Aber ich muss dringend mit dir reden.»
    Anthony schloss die Tür, deutete auf den einzigen Stuhl und setzte sich aufs Bett, nachdem er die Decke glattgestrichen hatte, damit man nicht sehe, dass sie eben noch benutzt worden war.
    «Mach bitte keine Umstände», sagte Guillermo del Valle. «Ich werde dir nur ein paar Minuten stehlen. Sind wir allein? Ja, wie ich sehe. Ich meinte, ob wir sprechen können, ohne dass uns jemand hört. Die Sache ist von größter Wichtigkeit, wie ich dir schon sagte.»
    Anthony hielt es nicht für opportun mitzuteilen, dass sich eine minderjährige Prostituierte in seinem Schrank befand, und forderte den anderen auf, den Grund seines Besuches zu nennen. Guillermo del Valle schwieg eine Weile, als zweifelte er im letzten Moment doch, ob seine Entscheidung richtig sei. Zögernd, mit angeborener Schüchternheit und der für sein Alter typischen Unsicherheit entschuldigte er sich zunächst für den barschen Ton bei ihren vorangegangenen Begegnungen. Zu Hause sei er immer angespannt, da ihn die

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