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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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die nicht mit mir rechnen, die nicht einmal von mir wissen. Man kann nicht als Flucht bezeichnen, was nur ein vernünftiger Rückzug ist.
    Die Zwerge geben keine Antwort. Sie schauen nach vorn, aber nicht zum Betrachter, sondern sonst wohin, sicherlich zu Velázquez, der sie malt, oder ins Unendliche. Diese Gleichgültigkeit überrascht Anthony nicht, er hat nicht mehr erwartet. Für ihn stellen die Zwerge das Volk von Madrid dar, stumme Gefährten auf einer Reise in den Abgrund.
    Als er, noch immer in die Parallelwelt der Malerei versunken, kehrtmacht, um zum Ausgang zurückzukehren, sieht er einen Mann in Regenpelerine und Tiroler Hütchen mit entschlossenen Schritten auf ihn zukommen. Das bringt ihn schlagartig in die Wirklichkeit zurück: Zweifellos ist es der verschlagene Kolja, der sich in mörderischer Absicht auf ihn stürzen wird. Wie in einem Alptraum lähmt ihm die Angst die Beine, er will schreien, doch kein Laut kommt aus seiner Kehle. Der Selbsterhaltungstrieb lässt ihn wild mit den Armen fuchteln, um den Angriff abzuwehren. Bei dieser Reaktion bleibt der andere verängstigt stehen, zieht dann höflich den Hut und ruft in affektiertem Englisch: «Um Himmels willen, Whitelands! Sind Sie übergeschnappt?»
    In Anthonys Gemüt wich die Panik dem Staunen. «Garrigaw? Edwin Garrigaw?»
    «Ich wusste nicht, wie ich Sie finden konnte, mochte aber nicht den Instanzenweg gehen, also bin ich ins Museum gekommen, weil ich überzeugt war, Sie früher oder später hier zu finden. Und schlimmstenfalls, dachte ich, zum Teufel – ein Besuch im Prado wiegt allemal die Unannehmlichkeiten der Reise auf.»
    Nachdem sich Anthonys Überraschung gelegt hatte, wurde er von einer dumpfen Wut gepackt. «Sie werden ja wohl keine warme Begrüßung erwarten», murmelte er.
    Der alte Kurator zuckte die Schultern. «Von Ihnen erwarte ich gar nichts. Trotzdem sollten Sie mir dankbar sein.» Er zeigte auf die beiden Narren und fügte hinzu: «Könnten wir uns nicht ohne die Gegenwart dieser beiden Unglücksraben unterhalten? Ich wohne zwei Schritte von hier, im Palace. Da ist es ruhig und bequem.»
    Anthony zögerte. Am liebsten hätte er den überheblichen Naseweis zum Teufel gejagt, aber der gesunde Menschenverstand hielt ihn davon ab, sich die Feindschaft einer weltbekannten Autorität einzuhandeln, die ihm auf seinem Gebiet ebenso von Nutzen sein wie ihm Probleme bescheren konnte. Nach kurzem Nachdenken machte er mürrisch eine resignierte Handbewegung und steuerte, gefolgt von dem alten Kurator, den Ausgang an. Wortlos überquerten sie den Paseo del Prado. Im Prachtrestaurant La Rotonda suchten sie eine einsame Ecke, schlüpften aus den Mänteln, machten es sich in den Sesseln bequem und schwiegen weiter, bis der alte Kurator die Anspannung löste und leise sagte: «Beim Jupiter, Whitelands, vergessen Sie endlich Ihr verdammtes Misstrauen. Glauben Sie im Ernst, ich stehle Ihnen das Verdienst der Entdeckung? Überlegen Sie doch einmal – ich bin Kurator der National Gallery, eine Persönlichkeit, wenn Sie mir die Unbescheidenheit nachsehen, ich genieße weltweites Ansehen und stehe kurz vor der Pensionierung. Sollte ich den lebenslangen Ruf für ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang und, wenn Sie gestatten, von zweifelhafter Legalität aufs Spiel setzen? Und wenn ich beschlösse, eine solche Dummheit zu begehen, käme ich dann eigens her, um Sie zu suchen und Sie über meine Absichten zu informieren?»
    Anthony wartete einige Augenblicke mit der Antwort. Süßliche Harfenklänge am anderen Ende des Raums hüllten das allgemeine Gemurmel ein. «Seien Sie nicht scheinheilig, Garrigaw», sagte er schließlich mit kühler Ruhe. «Wollen Sie mir wirklich weismachen, dass Sie Ihr Büro am Trafalgar Square und Ihren Tee im Savoy verlassen haben und in dieses Wespennest gekommen sind, nur um mit mir über ein Bild zu sprechen, das Sie nicht einmal gesehen haben? Dass ich nicht lache! Sie sind gekommen, um sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden, wenn nicht den ganzen Kuchen für sich zu behalten – und zu mir sind Sie gekommen, weil ich der einzige Mensch bin, der weiß, wo der Velázquez steckt. Zum Glück war ich vorsichtig genug, es Ihnen im Brief nicht zu sagen, sonst …»
    Ein Kellner trat herzu, um sie nach ihren Wünschen zu fragen. Edwin Garrigaw bestellte einen Kaffee, Anthony wollte nichts. Nachdem sich der Kellner entfernt hatte, spielte der alte Kurator den Beleidigten: «Sie sind schon immer ein falscher Kerl gewesen,

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