Katzenkrieg
die faschistische Bewegung Spaniens anführen wollte. Die Beziehungen der Falange zu den aufstandswilligen Militärs waren herzlich, aber schwankend. Zwischen den beiden Seiten überwog das Misstrauen – das José Antonios gegen die Armee, die er beschuldigte, seinen Vater fallengelassen zu haben, und das der Armee gegen eine Partei mit wirrem Denken und Handeln. Seit ihrer Gründung gehörte die Gewalt zum Programm der spanischen Falange. In mehreren Zusammenstößen mit linken Gruppen hatten die Falangisten Verluste erlitten und auch verursacht. In den Parlamentswahlen von 1933 erhielt Primo de Rivera einen Sitz, in denen von 1936 verlor er ihn wieder. Seither hatten sich die Gewaltaktionen verschärft und in der Folge auch die Repressalien.
«Wir wissen nicht, was er derzeit ausheckt», sagte der Oberstleutnant abschließend, «aber er hat andauernd zur bewaffneten Rebellion aufgerufen, und man kann nicht ausschließen, dass er zu putschen versucht.» Nachdem er sich die Hände gerieben hatte, sprach er weiter. «Sie werden sich fragen, mein lieber Vitelas, warum wir Ihnen Dinge erzählen, die nicht Sache eines Ausländers sind, der sich nur kurz in unserem Land aufhält. Müsste ich Ihnen diese Frage beantworten, Sie würden mich in Verlegenheit bringen. Aber vom ersten Tag an, als wir uns im Zug unterhielten, habe ich die Überzeugung gehabt, dass Sie, obwohl Engländer, für Spanien etwas Besonderes empfinden und nicht möchten, dass es sozusagen in Flammen aufgeht. Täusche ich mich?»
«Nein», erwiderte Anthony, «da haben Sie recht. Spanien ist meinem Herzen sehr nahe. Das heißt aber nicht, dass ich mich in seine Angelegenheiten einmischen darf, und schon gar nicht in Dinge der hohen Politik. Aber wenn wir schon über dieses Thema sprechen, sagen Sie mir doch eines: Glauben Sie wirklich, dass dieser Primo de Rivera einen Putsch durchführen kann?»
Der Oberstleutnant und Hauptmann Coscolluela wechselten einen Blick, als erwarteten beide, dass der andere eine Prognose abgeben würde. Schließlich sagte Marranón: «Das ist schwierig zu beantworten. Er kann es natürlich versuchen. Aber ob er es auch schafft? Ich glaube kaum. Es sei denn, er bekommt Hilfe von außen. Aus eigenen Kräften würde er nicht sehr weit kommen. Strenggenommen haben die Falange und die JONS nichts zu bestellen. Die Gründer sind Faulenzer aus guter Familie, ihre Gefolgsleute eine Handvoll Studenten und in letzter Zeit ein halbes Dutzend gedungene Killer. Sie werden von einem erzreaktionären Sektor unterstützt und von affektierten jungen Dämchen und den Gecken aus Puerta de Hierro gewählt. Trotzdem lässt sich seine Handlungsfähigkeit nicht leugnen. Coscolluela, erzählen Sie.»
Hauptmann Coscolluela schaute seinen Vorgesetzten schräg an, vertauschte seinen unterwürfigen Ausdruck mit einem kompetenten und sagte: «José Antonios Falangisten sind pyramidenförmig organisiert: Elemente, Trupps, Phalangen, Zenturien, Fähnlein, Legionen. Die kleinste Einheit, ein Element, besteht aus drei Mann, einem Leiter und einem stellvertretenden Leiter. Die größte, eine Legion, aus etwa viertausend Mann. Dieses System gibt ihnen eine große Handlungsfähigkeit in sämtlichen Modalitäten des bewaffneten Kampfes, als Guerilla ebenso wie als Stoßtrupp, und passt sich allen Gegebenheiten an außer dem offenen Feld. Die Gesamtzahl von Falangisten in dieser Truppe ist schwer anzugeben. Alle übertreiben, einige nach oben, andere nach unten, je nach Ideologie. Auf alle Fälle sind sie nicht so zahlreich, dass sie allein die Macht übernehmen könnten. Primo de Rivera hat den Militärs mehrmals seine Mitarbeit angeboten, falls sich die Armee oder ein Teil davon zu einem Putsch entschließt. Natürlich haben sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Sie werden tun, was sie wollen, wenn sie den Zeitpunkt für gekommen halten, und weder dann noch vor- oder nachher wollen sie etwas von einer bewaffneten Gruppe wissen, die die militärische Hierarchie nicht anerkennt, die nur einem Führer gehorcht, der sich seinerzeit mit einem General geprügelt hat und seine politischen Ziele ebendieser Armee aufoktroyieren will, wenn diese die Macht übernimmt. Trotzdem lässt sich nicht ausschließen, dass die Armee, wenn es zum Konflikt kommt, die Falangisten als zusätzliche Kraft oder für konkrete, nicht sehr dankbare Aufgaben benutzt. Die Faschisten sind nicht zimperlich. Letztlich wissen wir nicht, was geschehen kann. Am Rande aller logischen
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