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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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gehen können, wenn Sie wollen. Aber ich möchte Sie bitten, uns einige Minuten Ihrer Zeit zu schenken. Unter Freunden natürlich. Ehrlich gesagt sind der Milchkaffee und die churros , die Hauptmann Coscolluela freundlicherweise gebracht hat, für Sie. Sowie ich Sie habe eintreten sehen, habe ich mir gesagt: Dieser Mann hat noch nicht gefrühstückt. Sagen Sie mir, wenn ich mich irre. Nein, natürlich nicht, das sind Dinge, die einem Polizisten nie entgehen. Also, greifen Sie ohne Umstände zu, und genießen Sie in Gottes Namen diesen bescheidenen Imbiss.»
    Eigentlich gebot die Würde Anthony, das Angebot auszuschlagen, doch er fühlte seine Kräfte schwinden und dachte, mit dem Milchkaffee und den churros würde er sich dem Verhör, dem er zweifellos unterzogen werden würde, klareren Verstandes stellen können.
    «Ich sage ja nichts», rief der Oberstleutnant, als er ihn genüsslich das Frühstück verzehren sah, «aber churros wie die in Madrid gibt es keine zweiten auf der Welt.» Bei diesen Worten hatte er ein einzelnes Blatt aus dem Dossier gezogen und zeigte es dem Engländer. Es war das Foto eines Mannes, der heftig gestikulierend einen Vortrag hielt. Es war weder ein gutes Bild noch eine sorgfältige Reproduktion, aber Anthony erkannte sogleich den Mann, den er im Haus des Herzogs von Igualada kennengelernt hatte. Zum Glück hatte er gerade einen vollen Mund, so dass er seine Verwirrung vertuschen und die Antwort etwas hinausschieben konnte. Scheinbar ganz ruhig zog er das Taschentuch hervor, wischte sich das Öl von Lippen und Fingern und sagte: «Wer ist das?»
    «Ihre Frage macht meine überflüssig, da Sie mir zu verstehen geben, dass Sie ihn nicht kennen und nie gesehen haben», sagte der Polizist, ohne das Foto wegzulegen. «Macht nichts, ich habe nicht angenommen, dass es zwischen Ihnen und diesem Mann irgendeine Verbindung gibt. Aber manchmal, ich weiß nicht, beim Gespräch in einem Café, im Haus von gemeinsamen Freunden … Sie wissen schon, eine Zufallsbegegnung … Nun, dieser Mann» – jetzt legte er das Bild ins Dossier zurück und klappte dessen Deckel zu –, «also, es ist ganz normal, dass Sie ihn nicht kennen, aber ich kann Ihnen versichern, dass es nicht viele Spanier gibt, die nicht haargenau Bescheid wissen über ihn.»
    Er blinzelte Hauptmann Coscolluela und Pilar zu und skizzierte dann ein Bild des betreffenden Mannes.
    Er war der älteste Sohn von Miguel Primo de Rivera, einem Putschistengeneral, zwischen 1923 und 1930 Diktator in Spanien. In den aristokratischen Kreisen, in denen er sich bewegte, pflegte José Antonio Primo de Rivera y Sáenz de Heredia mit dem Titel Marquis de Estella aufzutreten; seine Gefolgsleute nannten ihn einfach José Antonio oder auch nur Chef. Aus Madrid stammend, Anwalt von Beruf, Junggeselle, derzeit dreiunddreißig. Degradiert und aus der Armee ausgestoßen, nachdem er an einem öffentlichen Ort gegen einen General handgreiflich geworden war, beide in Zivil. 1933 hatte er die spanische Falange gegründet, eine politische Partei faschistischer Prägung. Ein Jahr später fusionierte die Partei mit Ramiro Ledesma Ramos’ Gruppe Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista, den JONS, ähnlicher Stoßrichtung, radikaler noch in ihren Ideen. Kurz darauf kam es zum Bruch, Ramiro Ledesma verließ die Gruppierung und lancierte, ob aus Überzeugung oder Verachtung, eine heftige Diskreditierungskampagne gegen die Falange und ihren Chef, in der er beide beschuldigte, sich das Programm und die Symbole der JONS zu eigen gemacht zu haben. Das half ihm nichts – die meisten Mitglieder dieser Partei verließen ihren ehemaligen Führer und blieben im Schoß der Falange, aber die Spaltung war schmerzhaft und legte einige auch gegenwärtig noch nicht gelöste Widersprüche offen. Später, als José María Gil-Robles dazu ausersehen schien, Spaniens Mussolini zu werden, bot ihm José Antonio Primo de Rivera die Unterstützung der Falange an, um den Staatsstreich zu begehen, doch Gil-Robles konnte sich nicht zum definitiven Schritt durchringen und lehnte das Angebot ab. Diese beiden Widrigkeiten überzeugten José Antonio von der Notwendigkeit, mit der Falange ohne weitere Kräfte als den eigenen ins Gefecht zu ziehen. Kurze Zeit später brachte ihn diese Überzeugung dazu, eine mögliche Allianz mit José Calvo Sotelo auszuschlagen, einem autoritären Monarchisten, brillanter Redner und starke Persönlichkeit, der zum Anführer der konservativsten Rechten geworden war und

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