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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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der an der Wand lehnte und die Zeitung las – in einer Haltung, die umso auffallender war, als er eine Sonnenbrille trug und Regenmantel und Hut nicht abgelegt hatte. Als der Mann den Engländer erblickte, gab er die Verstellung auf, faltete die Zeitung zusammen, trat auf ihn zu und sagte knapp und drängend: «Sind Sie vielleicht Señor Antonio Vitelas?»
    Diese Übersetzung seines Namens erschien ihm gar nicht so abwegig, aber irgendetwas im Verhalten des Mannes im Regenmantel beunruhigte ihn. Er schielte zum Empfangschef hinüber, aber der zog bloß die Brauen in die Höhe, schloss halb die Augen und kehrte die Handflächen nach oben, um zu signalisieren, dass er sich aus allem heraushalte, was nicht zu seinem genau definierten Aufgabenbereich gehörte. Inzwischen hatte der Mann im Regenmantel, ohne Anthonys Antwort abzuwarten, diesen am Unterarm gepackt und schob ihn in Richtung Straße, während er murmelte: «Seien Sie so freundlich und begleiten Sie mich. Hauptmann Coscolluela, ehemals Infanteriekorps, jetzt der Obersten Polizeidirektion angehörig. Sie haben nichts zu befürchten, wenn Sie sich kooperativ zeigen.»
    Er hinkte ziemlich stark, wobei sich sein Gesicht zusammenzog und einen vergrämten Ausdruck annahm. Ganz offensichtlich kränkte ihn dieses Gebrechen in seiner Würde.
    «Bin ich verhaftet?», fragte der Engländer. «Was wird mir zur Last gelegt?»
    «Nichts», sagte der Beamte, ohne stehenzubleiben. «Sie sind nicht verhaftet, und da Sie nicht verhaftet sind, gibt es keinen Anklagepunkt. Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mitkommen, Sie kommen mit, und Friede, Freude, Eierkuchen.»
    «Lassen Sie mich wenigstens in mein Zimmer hinaufgehen, damit ich mich waschen und umziehen kann. So kann ich nirgends hin.»
    «Da, wo wir hingehen, schon», sagte der Mann im Regenmantel kategorisch, ohne seinen Arm loszulassen.
    Vor dem Hotel stand ein schwarzes Auto mit einem Fahrer am Lenkrad und geöffneter Tür. Sie stiegen ein, das Auto setzte sich in Bewegung und hielt nach einer Weile vor der Obersten Polizeidirektion in der Calle Víctor Hugo Ecke Infantas. Anthony atmete auf, denn in seiner Verwirrung hatte er den Mann im Regenmantel zu bitten vergessen, sich als Beamter der Behörde auszuweisen, der er angehören wollte, und während der Fahrt hatte er befürchtet, entführt zu werden, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, warum und von wem. Jetzt verflog seine Angst, als sie ausstiegen und das Gebäude betraten, ohne den im Eingang postierten Bereitschaftspolizisten Beachtung zu schenken oder von diesen zurückgehalten zu werden.
    In der Eingangshalle herrschte angenehmes Halbdunkel und entgegen jeder Vermutung absolute Stille. In einer Ecke tuschelte ein Grüppchen von mehreren Männern und einer ziemlich dicken Frau in Trauer und mit einem Aktendeckel. In der Luft hing säuerlich der Geruch nach kaltem Tabak. Ohne von jemandem eines Blickes gewürdigt zu werden, durchquerten Anthony und sein Begleiter die Halle und traten, ehe sie zur Haupttreppe kamen, in eine Seitentür, wo sie über eine schmale, düstere Treppe in den ersten Stock hinaufstiegen; dort legten sie mehrere Korridore zurück, bis sie, ohne anzuklopfen, in ein Büro traten. Es war ein kleiner quadratischer Raum, wo ein heller Holzaktenschrank, ein riesiger Arbeitstisch und einige Stühle, ein Garderobenständer, ein irdener Spucknapf und ein Papierkorb aus Draht mehr schlecht als recht koexistierten. Ein kleines vergittertes Fenster ging auf einen dunklen Innenhof hinaus. An einer Wand war mit Reißzwecken ein Stadtplan von Madrid geheftet, gewellt, vergilbt und in der Mitte sehr abgefingert. Der Tisch war mit Papieren übersät. Es gab auch eine Architektenlampe, eine Schreibtischgarnitur, ein Telefon und einen für die Jahreszeit unpassenden Ventilator. In diesem Chaos beugte sich ein Mann über eines der Papiere, der Anthony, obwohl sein Gesicht im Schatten lag und perspektivisch verkürzt war, merkwürdig vertraut vorkam. Er konnte zwar nicht sagen, wo und wann, war sich aber absolut sicher, diesen Mann, in dessen Gewalt er sich augenblicklich befand, schon einmal gesehen zu haben.
    Nach einer Weile reglosen Weiterlesens schaute der Mann auf, studierte den Engländer aufmerksam und sagte: «Setzen Sie sich.»
    Dann sagte er zu dem Mann im Regenmantel, der sich anschickte, das Büro zu verlassen: «Gehen Sie nicht, Coscolluela. Oder besser: Seien Sie so freundlich, Pilar zu suchen und ihr zu sagen, sie soll mit dem Dossier

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