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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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Erwägungen dürfen wir nicht vergessen, dass José Antonio ein verantwortungsloser Dummkopf ist und seine Gefolgschaft Fanatiker, die bedenkenlos alles tun würden, was er ihnen sagt. Die meisten sind ja noch halbe Kinder, überspannt und romantisch. In diesem Alter hat man keine Angst vor dem Tod, weil man noch nicht weiß, was das ist. Und der Chef hat ihnen den Kopf mit dem Gefasel von Heldentum und Opfer heiß gemacht.»
    Mit einer höflichen Handbewegung sagte Oberstleutnant Marranón: «Das reicht, Coscolluela. Wir dürfen unseren Gast nicht langweilen. Jetzt weiß er genug, und er hat anderen Verpflichtungen nachzukommen. Entschuldigen Sie unseren Übereifer, Señor Vitelas.»
    Anthony antwortete mit einem unverständlichen Gemurmel. Nach einem kurzen Schweigen ergriff Marranón abermals das Wort: «Im Grunde», sagte er, «denke ich so wie Sie. Auch mich interessiert die Politik nicht. Ich gehöre keiner Partei und keiner Gewerkschaft und keiner Loge an, und ich verspüre für keinen Politiker Sympathie oder Respekt. Aber ich bin ein Beamter im Staatsdienst – meine Aufgabe ist es, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, und um das zu tun, muss ich den Ereignissen zuvorkommen. Ich kann nicht mit den Händen im Schoß dasitzen, denn wenn’s losgeht, was jeden Moment der Fall sein kann, dann, Señor Vitelas, werden weder die Polizei noch die Guardia Civil, noch die Armee selbst eine Katastrophe verhindern können. Ich aber kann es. Aus diesem Grund muss ich wissen. Was, wer, wie und wann. Und dann unverzüglich handeln, ohne es allzu genau zu nehmen. Die Aufrührer entdecken und sie vorher festnehmen, nicht nachher. Und ebenso ihre Spießgesellen. Und ihre Begünstiger. José Antonio Primo de Rivera zu kennen ist kein Verbrechen. Die Polizei zu belügen dagegen schon. Ich bin überzeugt, dass Sie so etwas nie tun würden. Und jetzt will ich Sie nicht länger aufhalten. Ich möchte Sie bloß noch um etwas bitten, besser gesagt, um zwei Dinge. Das erste ist, dass Sie mich über alles auf dem Laufenden halten, was mich Ihrer Meinung nach irgendwie interessieren könnte. Sie sind intelligent genug, um den Sinn meiner Worte zu verstehen. Die zweite Bitte ist, dass Sie erreichbar sind, solange Sie sich in Spanien befinden. Ziehen Sie nicht um, und wenn, dann teilen Sie es uns mit. Ab und zu wird Sie Hauptmann Coscolluela aufsuchen, und wenn Sie sich mit uns in Verbindung setzen möchten, wissen Sie ja: Hier ist rund um die Uhr geöffnet.»

14
    Als er die Oberste Polizeidirektion verließ, stellte Anthony Whitelands überrascht fest, dass er sich an einem ihm bekannten, freundlichen, dichtbegangenen Ort befand, wo die Menschen, angespornt von der Kälte, fast im Laufschritt durcheinandereilten. Der bedeckte Himmel glitzerte metallisch, und in der ruhigen Luft, wie sie heftige Naturereignisse ankündigt, schien der übliche Lärm der städtischen Betriebsamkeit weit entfernt. Noch unter der Nachwirkung des eben geführten Gesprächs nahm Anthony das alles kaum wahr. Er wusste zwar, dass er vor einem moralischen Dilemma stand, konnte in seiner Verwirrung aber nicht genau sagen, was für eines es war. Während er sich durch die Menge schlug, fragte er sich, aus welchem Grund man ihn wohl so kapriziös festgehalten hatte. Zweifellos wussten sie etwas von seinen Bewegungen und seinen Verbindungen in Madrid, aber dem Gesprochenen war unmöglich zu entnehmen gewesen, wie viel. Wahrscheinlich sehr wenig, sonst hätten sie nicht so um den heißen Brei herumgeredet. Vielleicht wussten sie nichts Konkretes und versuchten ihm nur auf den Zahn zu fühlen. Oder ihm einen Schrecken einzujagen. Oder ihn zu warnen. Aber wovor? Vor der Gefahr, die die Nähe zu José Antonio Primo de Rivera mit sich brachte? Wenn dem so war, wussten sie um seine sporadischen Besuche beim Herzog. Wer mochte sie informiert haben? Was José Antonio betraf, so hatte er diesem rätselhaften Menschen nie getraut, obwohl er ihm im direkten Umgang einen sehr guten Eindruck gemacht hatte. Das Wichtige war jedoch nicht seine persönliche Einschätzung, sondern die Rolle, die er in dieser Geschichte spielte. Kannte José Antonio die Pläne des Herzogs? Steckte er mit ihm etwa unter einer Decke? War sein scheinbares Interesse für Paquita echt, oder diente es nur zur Tarnung andersgearteter Absichten? Und zu guter Letzt, was hatte in diesem ganzen Verwirrspiel ein englischer Experte in spanischer Malerei zu suchen? Fragen über Fragen, die jedoch seine

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