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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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fuhr er auf unter der sanften Berührung einer behandschuhten Hand am Unterarm – einen Augenblick dachte er, die Polizei wolle ihn abermals verhaften. Aber nicht die Polizei berührte ihn, sondern eine Frau in Trauer, deren Gesicht von einem dichten Spitzenschleier verhüllt war. In der anderen Hand hielt sie einen Rosenkranz mit Gagatkugeln. «Sie haben mich vielleicht erschreckt», raunte er Paquita zu. «Kein Mensch hier würde Sie erkennen.»
    «Genau darum geht es», antwortete sie mit einem schelmischen Unterton, «und Ihre Nerven liegen blank.»
    «Das hat schon seinen Grund.»
    «Knien Sie nieder, dann können wir die Köpfe näher zusammenstecken.»
    Mit gebeugtem Rücken im Betstuhl kniend, die Stirn fast an den Handlauf gestützt, wirkten sie wie zwei fromme Seelen, die mit höchster Hingabe Avemarias beteten. Paquitas Körper neben sich spürend, berichtete ihr Anthony von seinem Erlebnis auf der Obersten Polizeidirektion. Sie hörte schweigend zu und nickte mit gesenktem Kopf.
    «Ich habe ohne konkreten Grund die Polizei belogen», sagte der Engländer am Ende seiner Erzählung. «Aus einer schlichten Anwandlung habe ich gegen das Gesetz verstoßen. Sagen Sie mir, dass ich nicht falsch gehandelt habe.»
    «Nein, Sie haben richtig gehandelt», sagte sie nach einer Pause, «und ich danke Ihnen dafür. Und jetzt», fügte sie absichtlich langsam hinzu, als fände sie nur schwer die richtigen Worte, «jetzt muss ich Sie um einen großen Gefallen bitten.»
    «Sagen Sie mir, worum es geht, und wenn es in meiner Macht steht …»
    «Das tut es. Aber es erfordert ein gewaltiges Opfer von Ihnen. Das Objekt, das wir Ihnen gestern gezeigt haben …»
    «Der Velázquez?»
    «Ja, dieses Bild. Sind Sie von seiner Echtheit überzeugt?»
    «Oh, natürlich muss ich es noch eingehender untersuchen … Aber ich würde meine Hand ins Feuer legen …»
    «Und wenn ich Ihnen sagte, es sei eine Fälschung?»
    Nur mit Mühe unterdrückte der Engländer einen Aufschrei. «Wie bitte? Eine Fälschung?» Er brachte Stimme und Schrecken wieder unter Kontrolle. «Wissen Sie das denn bestimmt?»
    Ohne die Dramatik zu verlieren, ließ ihre Stimme wieder einen spöttischen Unterton durchschimmern. «Nein. Ich glaube, dass es echt ist. Und genau das ist der Gefallen, um den ich Sie bitte: dass Sie kategorisch erklären, es sei eine Fälschung.»
    Anthony war sprachlos. Sie wurde wieder ernst und sagte: «Ich verstehe Ihr Entsetzen und Ihren Widerstand. Ich habe Ihnen ja gesagt, es sei ein gewaltiges Opfer. Ich habe nicht den Verstand verloren, und hinter meiner Bitte stehen ganz triftige Gründe. Natürlich möchten Sie diese Gründe kennen, und ich selbst werde sie Ihnen zu gegebener Zeit auseinandersetzen. Aber jetzt kann ich noch nicht. Sie werden nur auf mein Wort bauen können. Natürlich kann ich Sie nicht zwingen, weder dazu noch zu sonst etwas. Ich kann Sie nur anflehen und Ihnen angesichts des Allmächtigen, in dessen Haus wir uns befinden, schwören, dass meine Dankbarkeit keine Grenzen kennen wird noch mein Wille, Ihre Großmut zu erwidern. Prägen Sie sich das ein, Anthony Whitelands, es gibt nichts, was ich nicht zu tun bereit wäre, um Sie für Ihr Opfer zu entschädigen. Gestern, im Garten unseres Hauses, habe ich Ihnen gesagt, mein Leben befinde sich in Ihrer Hand. Heute wiederhole ich das noch überzeugter. Sagen Sie nichts, und hören Sie mir gut zu. Sie werden Folgendes tun müssen: Gehen Sie heute Nachmittag zu meinem Vater, und sagen Sie ihm, aus irgendeinem Grund hätten Sie diesen Morgen die Verabredung nicht einhalten können. Erzählen Sie ihm auf keinen Fall, was Sie eben mir erzählt haben. Erwähnen Sie nicht die Oberste Polizeidirektion und schon gar nicht José Antonio. Sagen Sie nur, der Velázquez sei eine Fälschung und folglich nichts wert. Seien Sie überzeugend: Mein Vater ist zwar vertrauensselig, aber nicht dumm. Er hegt keinen Argwohn gegen Sie als Menschen oder Experten und wird Ihnen Glauben schenken, wenn Sie selbstbewusst auftreten. Und jetzt entschuldigen Sie mich, aber ich muss gehen. Niemand in meiner Familie weiß, dass ich gekommen bin, und ich möchte nicht, dass meine Abwesenheit bemerkt wird. Bleiben Sie noch ein paar Minuten. Hier gibt es viele Menschen, jemand könnte Sie erkennen, und man darf uns nicht zusammen sehen. Wenn wir heute Nachmittag bei mir zu Hause zusammentreffen, was sicherlich geschehen wird, verhalten Sie sich so, als hätten wir uns seit gestern nicht mehr gesehen.

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