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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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die Dinge anders. Don Alonso fragt nach dem Motiv der Versammlung. Der Oberstleutnant zuckt die Schultern. Er weiß es nicht; er vermutet eine Rechtfertigung für die Wahlschlappe – die Falange hat keinen einzigen Sitz errungen – und eine Darlegung der künftigen Politik für die Basis. Die Falange scheint nicht bereit zu verschwinden, und wenn sie weiterhin im politischen Leben Spaniens präsent sein will, muss sie sich etwas einfallen lassen. Wie auch immer, die Versammlung verspricht ein Herd von Streitereien zu werden.
    Der Oberstleutnant legt eine fragende Pause ein, und sein Chef bekundet mit einer Handbewegung stummes Einverständnis; die Demonstration und die Versammlung zu bewilligen ist ebenso gefährlich, wie sie zu verbieten; die geringste Kleinigkeit kann zur Lunte werden, die das Pulverfass in die Luft jagt. Besser die Entscheidung dem Innenministerium überlassen, das sich vermutlich mit dem Premierminister besprechen wird. Dieses Delegieren von Instanz zu Instanz ist kein Zeichen von Verzagtheit oder Willfährigkeit, sondern gehorcht nur dem gesunden Menschenverstand – der Premierminister ist der einzige Mensch ganz Spaniens, der noch an eine friedliche Lösung der gegenwärtigen Situation glaubt.
    Dieser moderate Optimismus kommt nicht von ungefähr. Don Manuel Azaña hat eine lange Regierungserfahrung, und ihm ist, wie man so sagt, nichts Menschliches fremd. 1931, kurz nachdem die Republik ausgerufen worden war, übernahm er das Kriegsministerium, wenig später wurde er zum Premierminister gewählt. 1933 ging er in die Opposition, und jetzt ist er wieder Premier, und das Klima ist nicht düster, sondern hoffnungslos. Aber nicht für ihn: Eher Intellektueller als Politiker, ist er immer von den schnellen, unvorhersehbaren Strömungen der Geschichte auf den Gipfel der Macht gespült worden, und da er ihn nie durch eigenes Bemühen erreicht hat, kennt er die trübsten Windungen der Realpolitik nicht und mag sie auch nicht kennenlernen, was ihm Gegner und Gefolgsleute gleichermaßen vorwerfen. Vielleicht baut er deshalb auch auf eine loyale Opposition, die nicht zu allem bereit ist, um skrupellos dem die Macht zu entreißen, der sie augenblicklich innehat. Immer noch hält er es für möglich, mit Dialog und Verhandlung die brennenden Probleme Spaniens zu lösen, die Arbeiterbewegung, die Agrarreform, die bewaffneten Zusammenstöße, die katalanische Frage.
    Diese Sicht teilen nur sehr wenige. Im Unterschied zu dem, was in den ersten Zeiten der Republik geschah, haben die Arbeiterorganisationen den Politikern den Rücken gekehrt, und nur interne Unentschlossenheit und Spaltung halten sie davon ab, auf die Barrikaden zu gehen und die Macht mit Gewalt an sich zu reißen. An Motiven fehlt es ihnen nicht: Die rechte Regierung, die der gegenwärtigen voranging, hat alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um die bis dahin erzielten Erfolge für die Arbeiter rückgängig zu machen, und die Unruhen mit ungewohnter Brutalität niedergeknüppelt. Heute versucht die Volksfront, den Status quo wiederherzustellen, stößt aber auf gewaltige Hindernisse: Die Opposition, angeführt von Gil-Robles und Calvo Sotelo, torpediert im Parlament das Sozialreformprogramm der neuen Regierung, während die mächtigen spanischen Vermögen an den europäischen Börsen manipulieren, um die Entwertung der Pesete, die Zunahme der Arbeitslosigkeit und den Untergang der Wirtschaft zu bewirken. Kirche und Presse, mehrheitlich in der Hand der Rechten, sind die Meinungsbildner und säen Panik, und die einflussreichsten Intellektuellen (Ortega, Unamuno, Baroja, Azorín) verfluchen die Republik und fordern eine drastische Veränderung. In Erwartung eines Militärputsches oder eines faschistischen Aufstands, den sie für unmittelbar bevorstehend halten, sammeln die Gewerkschaften für den Kauf von Waffen, und die Arbeitermilizen stehen Tag und Nacht Posten, um beim ersten Alarmzeichen einzuschreiten.
    Don Manuel Azaña kennt diese Faktoren, gewichtet sie aber anders als alle anderen. Seiner Meinung nach werden sich die Arbeiter nicht zur Gewaltanwendung entschließen, die Sozialisten und die Anarchisten werden ihre Kräfte nicht vereinen, und die Kommunisten haben vom Komintern den kategorischen Befehl erhalten, wachsam zu sein und abzuwarten. Es ist kein günstiger Moment für die Revolution, der Versuch, die Diktatur des Proletariats durchzusetzen, wäre ein Rechenfehler. Aufgrund des nämlichen Dreisatzes glaubt er auch nicht an

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