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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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Arbeiter verbrennen ein paar Kirchen. Das billige ich nicht, aber sagen Sie: Wer hat diese Kirchen gebaut?»
    Er machte eine lange Pause, um ein weiteres Glas Wein zu trinken, und fuhr dann im selben didaktischen Ton fort: «Wenn sich der Arbeiter empört, dann hetzt man die Polizei auf ihn, anstatt sich nach dem Grund zu fragen; wenn das nicht genügt, die Guardia Civil, und notfalls ab in die Legion. Mit diesen Argumenten braucht man nicht recht zu haben. Erinnern Sie sich an die Geschichte in Asturien. Aber eins hat das Proletariat – nämlich es nimmt kein Ende. Schauen Sie um sich, hören Sie die Stimme des Volkes: Es glaubt, die Frucht sei reif, und weiß, dass es nicht noch einmal eine Chance hat, also wird die Revolution ausbrechen. Als die Republik kam, sagten alle: Es war höchste Zeit, jetzt ist Schluss mit der Ungerechtigkeit. Das war vor vielen Jahren, und heute ist immer noch alles beim Alten, die Reichen sind gleich reich, die Armen sind gleich arm, und wer aufmuckst, kriegt knallhart eins auf den Deckel. Entweder eignet sich das Proletariat den Reichtum an und ergreift die Macht mit Gewalt, oder dann gibt’s hier nie eine richtige Veränderung. Sie sehen ja, was in Russland passiert ist. Ist das etwa das Paradies auf Erden? Ich könnte es Ihnen nicht sagen, aber in Russland ist wenigstens Schluss mit den Dummheiten.»
    Wieder schwieg er, schaute sich um, ob seine Abhandlung irgendeine Reaktion ausgelöst hatte, und machte sich, als er sah, dass die Gäste an den benachbarten Tischen gelassen weiteraßen, mit einer Wildheit, die er nicht einmal für seinen Sermon aufgebracht hatte, über die Reste des Eintopfs her. Das nutzte der Engländer, um zu sagen: «Und die bolschewistische Revolution wird nicht stattfinden, wenn ich der Toñina eine Wohnung gebe?»
    «Sehr witzig!» Higinio Zamora war ein wenig gekränkt vom Vorbehalt des Engländers, aber auch entschlossen, seine gute Laune nicht zu verlieren. «Ich sehe, Sie haben mich nicht verstanden. Nicht nur, als ich über die Situation gesprochen habe, sondern auch über das andere. Sehen Sie, nichts wird den Lauf der Geschichte aufhalten, das stimmt, dagegen können weder Sie noch ich etwas tun. Hingegen können wir das Problem dieses armen Mädchens lösen. Ich will ganz ehrlich sein zu Ihnen: Das ist das Einzige, was mir Sorgen macht, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Der Kummer bringt mich um. Ich habe versprochen, mich um diese Familie zu kümmern, und habe nichts erreicht. Die Justa hat letztlich ihr Leben gelebt. Aber dieses Kind, mein Gott, das hat nichts anderes kennengelernt als Schmach und Entbehrungen.»
    Seine Stimme zitterte, und die Augen füllten sich ihm mit Tränen. Wegen seiner entfernten Ähnlichkeit mit Velázquez’ Menippos hatte ihm Anthony unwillkürlich die intellektuellen Eigenschaften des antiken Philosophen zugeschrieben und fühlte sich jetzt bei dieser plötzlichen sentimentalen Anwandlung noch unbehaglicher als zuvor, als ihn der andere beschuldigt hatte, den Sieg der Bolschewisten zu fördern.
    «Beherrschen Sie sich», sagte er leise, «jemand könnte Sie hören.»
    «Das ist mir egal. Keiner kommt ins Gefängnis, weil er weint. Und verzeihen Sie meinen Gefühlserguss, aber wenn ich an dieses arme Ding denke … Ihr Leben kann gar nicht beschrieben werden. Und die Zukunft, die sie erwartet, da erübrigen sich alle Worte.»
    «Na ja, wenn die Revolution ausbricht, kommt vielleicht alles ins Lot.»
    «Denkste. Ich habe gesagt, die Revolution bricht aus, nicht, sie ist erfolgreich. Im Gegenteil: So, wie das alles aussieht, werden bei den ersten Anzeichen von Revolte die Kanonen aufgefahren. Und wenn die gewinnen, wird alles nur noch schlimmer sein als jetzt. Das macht mir am allermeisten Angst.»
    Anthony schaute verstohlen auf die Uhr. Sie hatten den Eintopf aufgegessen, und er musste sich beeilen, wenn er noch im Hotel vorbeigehen und rechtzeitig zu seinem Stelldichein kommen wollte. «Ich verstehe Ihre Frustration», sagte er versöhnlich, «aber die Lösung, die Sie suchen, liegt nicht in meiner Macht. Ich bin Ausländer, bin auf der Durchreise, und in einigen Tagen fahre ich in mein Land zurück.»
    Higinio Zamora glättete sein weinerliches Gesicht und sah den Engländer mit neuem Interesse an.
    «Pah», sagte er munter, «um die Einzelheiten kümmern wir uns später. Ich meine, dass Sie gehen, ist kein Hindernis, ganz im Gegenteil. Sie aus dem Land zu schaffen wird kein Kinderspiel sein. In England wird sich

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