Katzenkrieg
die Kleine wie ein Fisch im Wasser fühlen. Sie hat das Zeug zu einer Señorita, außerdem ist sie fleißig, ehrlich und sehr dankbar. Einen Gefallen vergisst sie nie mehr. Ich weiß sehr wohl», fügte er ernst hinzu, als würde ihn dieser Aspekt der Angelegenheit stärker beschäftigen als die Verwirrung seines Gegenübers, «dass dieser Plan den marxistischen Grundsätzen zuwiderläuft. Ein Proletarier darf nicht das individuelle Glück suchen, sondern muss sich zusammen mit seiner Klasse retten. Aber ich bin überzeugt, hätte Marx die Kleine gekannt, so hätte er eine Ausnahme gemacht. Und vom Baby gar nicht zu reden – in England erzogen, stellen Sie sich vor, und mit dem angeborenen Mut der Spanier, da könnte es der Junge glatt zum Offizier der britischen Armee in Indien bringen.»
Es war ein Gespräch unter Tauben. Anthony war größter Respekt vor jedem Individuum eingebleut worden, welches auch immer seine Herkunft und seine gesellschaftliche Stellung sein mochten, doch genau diese Erziehung gründete auf einer ebenso starren Vorstellung der gesellschaftlichen Hierarchie, weshalb ihm das Ansinnen seines Gesprächspartners nicht nur absurd, sondern unerträglich erschien. In Anthonys Augen war Higinio Zamoras Rede ein Wahnsinn. Aber da der Mann seine normale Ausgeglichenheit behielt und seine Pläne nicht von Eigennutz, sondern von ungeheurer Großherzigkeit bestimmt waren, beschloss er, seine Worte nicht übermäßig ernst zu nehmen. Vielleicht, dachte er, hat sich dieser arme Teufel einfach einmal Luft machen müssen. Wichtig war jetzt allein, die Tafel aufzuheben, und das schaffte er nur, wenn er für die Haltung des anderen Sympathie und vage Zustimmung an den Tag legte.
«Sie können sicher sein, dass ich über eine gangbare Art, Ihre Wünsche zu erfüllen, nachdenken werde, ohne meine eigene Situation zu beeinträchtigen», sagte er, «aber jetzt muss ich schleunigst gehen. Und ich habe meine Meinung zu unserem Abkommen geändert – ich lade Sie ein.»
Dieses letzte Manöver, dazu gedacht, Higinio Zamora gewogen zu stimmen, bewirkte das Gegenteil. Er lehnte die Einladung ab und beharrte darauf, zahlen zu wollen, umso mehr, als er kühn um einen so großen Gefallen gebeten und eine so positive Antwort bekommen habe. Da Anthony keine neuen Komplikationen heraufbeschwören mochte, nahm er die Einladung an, und ohne abzuwarten, bis der andere sie in die Tat umsetzte, stand er auf, reichte ihm die Hand und stürzte aus dem Lokal. Auf der Straße marschierte er so schnell zum Hotel, wie es ihm der bleierne Magen erlaubte. In einem Sicherheitsabstand zu seinem Ziel blieb er stehen und ging dann vorsichtig weiter, falls der von Higinio Zamora erwähnte Mann noch Wache schob. Da er in der Umgebung des Hotels niemand Verdächtiges sah, legte er das letzte Stück fast im Laufschritt zurück, bat den Empfangschef um den Schlüssel und riegelte sich in seinem Zimmer ein.
Die Atmosphäre war günstig für die Arbeit: Der Ofen strahlte eine behagliche Wärme aus, und durchs Fenster schien eine blasse, niedrigstehende Sonne herein. Anthony holte Heft und Füllfeder hervor, setzte sich an den Tisch und schickte sich an, die wegen der Begegnung und der Schlemmerei aufgeschobenen Notizen niederzuschreiben, aber nach wenigen Sekunden verschränkte er die Arme auf dem Tisch, lehnte den Kopf zurück und schlief ein. Er träumte, von der Straße her erreiche ihn ein vielstimmiger Chor mit der Internationale. Das Fenster fasste einen roten Himmel, an dem dicke schwarze Rauchwolken aufstiegen. Ganz offensichtlich war die Revolution ausgebrochen, und folglich schwebte er ernsthaft in Lebensgefahr. Mit unerbittlicher Traumlogik sah er sich vom Strudel der Ereignisse mitgerissen. Es bleibt mir kein Ausweg, dachte er, man wird mich zwingen, in Lumpen zu gehen, mir einen Bart wachsen zu lassen und zu rufen: Alle Macht den Sowjets! Diese Aussicht löste eine körperliche Angst in ihm aus – er schwitzte stark, der Magen brannte ihn, er wollte fliehen, aber die Muskeln verweigerten den Befehl des Hirns. Er erwachte mit der Sorge, das Stelldichein verschlafen zu haben, doch ein Blick auf die Uhr beruhigte ihn wieder. Er verwahrte die Füllfeder, goss sich Wasser in Gesicht und Haar, um seine äußere Erscheinung ein wenig aufzufrischen, schlüpfte in den Regenmantel, setzte sich den Hut auf und verließ in aller Eile das Zimmer und das Hotel. Der Lampenanzünder setzte die Laternen auf dem Platz in Gang.
Während er zum
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