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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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das Besteck auf den Teller, wischte sich mit einer Sorgfalt, die eine gewisse Erziehung erkennen ließ, die Lippen ab und sagte: «Erlauben Sie mir vor allem zu wiederholen, auch wenn ich es zum ersten Mal tue, dass hinter nichts von dem, was ich Ihnen sogleich sagen werde, irgendein Nutzen für mich oder meine Person steckt.»
    Mit einer vagen Handbewegung stimmte Anthony zu, und der andere fuhr fort: «Ich will in allem Vertrauen zu Ihnen sprechen. Wie ich gesehen habe, mögen Sie zwar ein Lord oder der König von England sein, doch Sie sind einsamer und schutzloser als ein Aufklärungsflugzeug. Schnappen Sie mir nicht ein, ich sag es Ihnen als Freund.»
    «Ich bin nicht eingeschnappt, aber ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen. Wie es mir geht, ist allein meine Sache.»
    «Vielleicht in Ihrem Land. Hier gehört alles allen. Wenn einer Grund zur Freude hat, wird es gefeiert, und wenn es Kummer ist, wird er geteilt.»
    «Und wenn einer einfach seine Ruhe haben will und nicht möchte, dass jemand die Nase in seine Angelegenheiten steckt?»
    «Dann hat er Pech gehabt. Passen Sie auf, ich will die Dinge beim Namen nennen: Das hier ist kein armes Land, mag man sagen, was man will. Das ist ein Land von Armen, ich weiß nicht, ob Sie den Unterschied kapieren. In einem armen Land schaut jeder, wie er mit dem zu Rande kommt, was er hat. Hier nicht. Hier zählt, was einer hat, aber noch mehr zählt, was der Nachbar hat oder nicht mehr hat. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist nicht Ihr Geld, sondern Ihre persönliche Situation. Das ist sozusagen Ihr wunder Punkt. Mit Ihrem Aussehen einer altmodischen Schaufensterpuppe und Ihren Manieren mögen Sie ja alle hinters Licht führen können, aber nicht Higinio Zamora Zamorano. Ich habe Sie gesehen, wie Sie sind. Ich meine die Toñina. Keine Angst, ich spreche nicht von Erpressung, ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich von alledem nichts habe. Zudem haben Sie ja nichts Unrechtes getan, im Gegenteil. Was ich meine, ist diese arme Familie, die Justa, die Toñina und dieses arme Wurm ohne Vater, das Kind der Sünde. Sie haben ja gehört, was die Justa gesagt hat: allein auf der Welt. Nun, das Mädel ist willig, sauber, diskret wie wenige und nicht auf den Kopf gefallen. Es erwartet sie eine bittere Zukunft, wenn nicht für Abhilfe gesorgt wird. Sie dagegen haben eine geregelte Zukunft, aber die Gegenwart bereitet Ihnen Mühe. Sehen Sie, worauf ich hinauswill?»
    Anthony, der bis dahin zerstreut zugehört und weitergegessen hatte, legte das Besteck übereinander, starrte sein Gegenüber an und sagte: «Sie wollen mir das Mädchen verkaufen, Señor Zamora?»
    Der andere trank einen Schluck Wein, stellte das Glas auf den Tisch und schaute resigniert zum Himmel empor, als müsste er einem unterbelichteten Kind etwas ganz Einfaches erklären.
    «Oh», rief er, «kaufen und verkaufen! Als gäbe es nichts auf der Welt als kaufen und verkaufen! Sie und Ihresgleichen sehen alles durch eine kaufmännische Brille. Vorher haben wir uns darüber gestritten, wie das Essen bezahlt werden soll, und jetzt das. Nein, Señor, die Toñina ist unverkäuflich. So eine ist sie nicht. Wenn ihr Vater gelebt hätte, wäre sie nie und nimmer in diesem Geschäft. Sie hätte studiert, wäre eine Señorita und vielleicht sogar auf die Universität gegangen. Aber der arme Kerl hat für eine gute Sache ein böses Ende genommen, und die Gesellschaft hat die beiden Frauen im Regen stehenlassen. Sie haben alles Mögliche und Unmögliche tun müssen, um nicht zu verhungern. Und deswegen soll der arme Tropf eine Gebrauchtware geworden sein?»
    «So etwas habe ich nicht gesagt. All das sagen Sie.»
    «Und Sie verstehen nichts», antwortete Higinio Zamora sanft, fast zärtlich. «Das ist das Problem. Nicht unseres, Ihres und meines, sondern das Problem Spaniens und der Welt – Ihresgleichen versteht das Proletariat nicht. Sie halten es für ungebildet, unverschämt, finster, zerlumpt, und Sie denken: Gott steh mir bei. Wenn die Proletarier etwas wollen, ein Recht einfordern oder eine Lohnaufbesserung verlangen, erschrecken Sie. Die werden uns noch das Hemd vom Leib reißen, denken Sie und Ihresgleichen. Und daran ist was Wahres. Aber das Proletariat will nicht nur Geld. Es will Gerechtigkeit und Respekt. Und solange Sie es nicht verstehen, wird es keine Eintracht und keinen sozialen Frieden geben und wird die Gewalt zunehmen. Sie haben ja gesehen, was passiert, in Madrid und überall im Land: Die

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