Katzenkrieg
eine Schlägerei mit der Sozialistischen Jugend. Das Ergebnis: mehrere Verletzte und ein Erschossener, ein Falangist von achtzehn Jahren, aus Ciempozuelos stammend, Verkäufer in einer Drogerie dortselbst.
Energisches Klopfen an der Tür unterbricht den Bericht. Es treten zwischen zwei Beamten in Uniform Hauptmann Coscolluela und Anthony Whitelands auf. Bei ihrem Anblick zückt Pilar den Stenogrammblock und überprüft die Bleistiftmine – alles, was von diesem Moment an gesprochen wird, kann offiziellen Charakter haben. Der Engländer ist zwar eingeschüchtert, lässt aber einen Rest imperialen Hochmuts durchschimmern. Bevor er etwas sagen kann, drückt Don Alonso Mallol die Zigarette im stummelüberhäuften Aschenbecher aus, klopft die Spitze aus, steckt sie in die Jacketttasche und steht auf.
«Señor Whitelands?», fragt er und drückt dem Engländer die Hand, der sie ihm automatisch entgegengestreckt hat. «Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Alonso Mallol, Ministerialdirektor, Leiter der Obersten Polizeidirektion. Ich bedaure, Sie unter diesen Umständen kennenzulernen.»
«Darf ich fragen …?», stammelt der Engländer.
«Machen Sie nicht alles noch schlimmer, Vitelas», schnauzt ihn der Oberstleutnant an. «Die Fragen stellen wir. Aber wenn Sie den Grund für die Festnahme wissen wollen, dann kann ich Ihnen mehrere nennen.»
«Ich möchte bloß die britische Botschaft anrufen», sagte Anthony.
«Zu dieser Stunde wird niemand da sein, Señor Whitelands», sagt Mallol. «Aber dafür ist noch Zeit. Vorher wollen wir uns unterhalten. Seien Sie so gut und setzen Sie sich.»
Unter dem wachsamen Blick der Polizisten hängt Anthony den Mantel neben denjenigen Mallols an den Garderobenständer und setzt sich in denselben kleinen Korbsessel wie bei seinem letzten Besuch. Die gemütliche Stenotypistin zieht ihren Stuhl nahe zu denen heran, die das Gespräch führen werden, und Hauptmann Coscolluela lässt sich wenig zeremoniös auf einen anderen fallen; dabei unterdrückt er ein Aufstöhnen – sein versehrtes Bein reagiert auf das lange Warten. Anthony wird klar, dass er in diesem Büro nicht allzu viele Freunde hat. Oberstleutnant Marranón gibt den Bereitschaftspolizisten ein Zeichen, worauf sie mit Leder- und Metallgedröhn salutieren, sich umdrehen und hinausgehen. Auf dem Gang hört man widerhallend die Schritte sich entfernen. Dann herrscht unheilvolles Schweigen, bis der Ministerialdirektor mit neutraler, aber ein wenig angespannter Stimme sagt: «Señor Whitelands, da Sie eben heute im Kino Europa an einer Veranstaltung der Falange teilgenommen haben, können Sie sich bestimmt vorstellen, dass wir mit sehr viel wichtigeren Dingen befasst sind als mit Ihrer Überwachung. Wenn wir alle hier Anwesenden Ihretwegen wertvolle Zeit verlieren, muss der Grund ein anderer sein. Drücke ich mich deutlich genug aus? Wenn ja, komme ich zur Sache. Sie haben die Worte gehört, die in diesem Kino gefallen sind, nicht einmal, sondern wiederholt. Sie haben die Reaktion der Teilnehmer gesehen. Sie wissen, dass es in Europa eine faschistische Bewegung gibt, und kennen deren Ziele: Aufstand, gewaltsame Machtübernahme, nötigenfalls Bürgerkrieg und schließlich Aufoktroyieren eines totalitären Regimes. Die Anhänger verbergen diese Absichten nicht und reden auch nicht ins Blaue hinaus: Da gibt es Italien, Deutschland und andere Länder, die entschlossen sind, ihrem Beispiel zu folgen. Trotzdem ist das, abgesehen von ihrer Ernsthaftigkeit, eine Sache der spanischen Regierung und nicht Ihre Angelegenheit, in gewisser Weise nicht einmal meine. Der Faschismus ist Politik, und meine Zuständigkeit ist die öffentliche Ordnung. Rauchen Sie?»
Anthony schüttelt den Kopf. Der Ministerialdirektor hält das Zigarettenetui dem Oberstleutnant hin, wiederholt die Zeremonie mit der Spitze, zieht den Rauch ein und fährt fort. «José Antonio Primo de Rivera ist dumm, aber er weiß es nicht, und da liegt das Problem. Als Diktatorensohn ist er wie ein Fürst aufgewachsen, von allen umschmeichelt. Dann, als ihn dieselben Leute, die seinen Vater in den Himmel gehoben hatten, die Treppe hinunterwarfen, konnte er es nicht verdauen. Das brachte ihn zur Politik. Er sieht gut aus, ist ein brillanter Redner, lebt inmitten eines Hofstaats von genauso dummen feinen Pinkeln, die ihm dauernd applaudieren. Unter normalen Umständen wäre er ein erfolgreicher Anwalt gewesen, hätte eine gute Partie gemacht und seine Flausen mit
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