Katzenkrieg
vor sieben Tagen, wie Sie selbst gesagt haben. Ist das nicht sehr lange, um ein Bild zu schätzen?»
«Überhaupt nicht. Ein Bild lässt sich nicht so obenhin schätzen. Da gilt es viele Faktoren zu berücksichtigen, sowohl künstlerische als auch materielle, chemische etwa. Oder urkundliche. Außerdem hat jedes Bild seine kleine Geschichte, und all das hilft mit, seine Echtheit und damit seinen Wert zu bestimmen. Es geht nicht nur darum, ob ein Bild echt oder gefälscht ist. Abgesehen von betrügerischen Fälschungen gibt es Veränderungen, die auf unsorgfältige Restaurierungen zurückgehen, falsche Zuschreibungen, Kopien, die der Maler selbst angefertigt hat, Atelierbilder und so weiter und so fort. Die Sammlung des Herrn Herzog ist groß, und die Werke stammen aus verschiedenen Epochen. Ehrlich gesagt, um eine exakte und erschöpfende Evaluierung durchzuführen, bräuchte es Monate, vielleicht ein ganzes Jahr. Ich hoffe, es schneller zu tun, aber sicher nicht so eins, zwei, drei.»
Diese ruhige Darlegung wird von seinen Befragern respektvoll aufgenommen und dann sogleich ad acta gelegt; sie sind zu geschickt, um sich auf ein Terrain zu begeben, auf dem sie nicht kompetent sind und das nichts mit dem aktuellen Fall zu tun hat.
«Wie hoch schätzen Sie denn grosso modo die Gemäldesammlung des Herzogs ein?», fragt der Ministerialdirektor.
«Das ist unmöglich zu bestimmen», antwortet der Engländer. «Ihr wirtschaftlicher Wert hängt von vielen Unwägbarkeiten ab. Aber um Irrtümern vorzubeugen: Die wirtschaftliche Einschätzung liegt nicht in meiner Befugnis, noch ist im vorliegenden Fall so etwas von mir verlangt worden. Als Experte beschränke ich mich darauf, die Urheberschaft eines Werks zu beglaubigen oder es, wenn es anonym ist, einem Maler oder einer Schule, einer Epoche oder einem Herkunftsort zuzuordnen. Natürlich hat das wirtschaftliche Konsequenzen, aber erst hinterher.»
«Haben Sie dem Herzog zum Verkauf eines seiner Bilder geraten? In Europa – Sie stehen in Verbindung mit englischen Galerien und solchen anderer Länder.»
«Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich kein Kunsthändler bin. Im Lauf unserer Unterhaltungen ist das Thema eines möglichen Verkaufs zur Sprache gekommen, das bestreite ich nicht. Dann habe ich mich immer dagegen ausgesprochen. Das wird Ihnen der Herr Herzog bestätigen.»
«Señor Whitelands», bohrt der Ministerialdirektor weiter, «verschweigen Sie uns nicht etwas, was wir wissen müssten angesichts dessen, was wir Ihnen eben gesagt haben? Haben Sie Indizien dafür, dass der Herzog einen einigermaßen hoch zu veranschlagenden Verkauf ins Ausland plant? Die Frage kann nicht eindeutiger sein. Ich bitte Sie, ebenso eindeutig zu antworten. Ja oder nein?»
Anthony hat die Entscheidung schon vorher getroffen und zögert nicht mit der Antwort: «Nein.»
Auf diese klare Äußerung folgt ein gelassenes Schweigen. Als hätten sie diese und keine andere Antwort erwartet, lässt sich keiner Verdutztheit oder Unruhe anmerken. Don Alonso Mallol steht auf, geht eine Weile in dem kleinen Raum auf und ab, dann wendet er sich an die gemütliche Stenotypistin. «Sie können nach Hause gehen, Pilar. Und danke für Ihre Bereitwilligkeit.»
«Immer zu Ihren Diensten, Don Alonso», antwortet sie, während sie den Block in die Tasche steckt, ein Federmäppchen aus der Tasche zieht und den Bleistift darin verwahrt. «Morgen Vormittag werde ich Ihnen das Dokument geben.»
«Machen Sie bitte keine Umstände. Es eilt nicht», sagt Mallol sanft.
Mit einer leichten Verneigung grüßt Pilar alle, auch Anthony, und geht. Mallol wendet sich an den Engländer: «Ich bedanke mich auch bei Ihnen für Ihre Mitarbeit, Señor Whitelands.» Er gibt ihm die Hand, während er bereits mit Oberstleutnant Marranón spricht. «Gumersindo, ich überlasse den Fall Ihnen.»
«Seien Sie unbesorgt, Don Alonso.»
Als er sieht, dass alle aufstehen, tut Anthony dasselbe und geht zum Garderobenständer. «Kann ich jetzt gehen?», fragt er, bevor er in den Mantel schlüpft.
«Nein. Sie sind festgenommen wegen Teilnahme an einer unerlaubten öffentlichen Veranstaltung. Sie werden in die Gefängnisse der Direktion verbracht werden, und im gegebenen Moment wird man entscheiden, ob Sie dem Gericht überstellt oder, als Ausländer, deportiert werden. Hauptmann Coscolluela wird Sie begleiten. Die Anwesenheit weiterer Beamten halte ich nicht für notwendig. Um den Erkennungsbogen werden wir uns morgen kümmern. Um
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