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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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der Zeit abgeschüttelt.»
    Er macht eine Pause, seufzt und fährt fort: «Aber er hat sich in dieses Mädchen verliebt, es hat nicht geklappt, und das hat ihn um den Verstand gebracht. Und zu allem Überfluss begünstigt die politische und gesellschaftliche Situation in Spanien seinen Wahnsinn noch. Das Ergebnis ist unübersehbar. Heute Abend, am Ende der Veranstaltung im Kino Europa, ist es auf der Straße zu Konfrontationen mit dem üblichen Ergebnis gekommen: ein toter Falangist, ein junges Bürschchen von achtzehn Jahren. José Antonio füllt ihnen den Kopf mit Hirngespinsten, schickt sie in den Tod und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie haben die Liste der toten Falangisten ja selbst gesehen; vielleicht würde Sie außer dem Namen auch das Alter dieser Märtyrer interessieren: Die meisten waren fast noch Kinder, die nicht einmal die Gedanken verstanden, für die sie ihre Zukunft geopfert haben. Das findet Primo de Rivera poetisch. Ich finde es verhängnisvoll.»
    Anthony hat interessiert zugehört, aber bei der Erwähnung von José Antonios gescheiterter Beziehung mit Paquita ist seine Aufmerksamkeit abgeschweift, denn den Andeutungen des Ministerialdirektors ist zu entnehmen, dass niemand anders die Protagonistin der Geschichte ist. Was mochte schiefgelaufen sein in der Beziehung zwischen den beiden? Das Thema beschäftigt ihn, aber das ist nicht der Moment, um sich in Mutmaßungen zu verlieren – er selbst befindet sich in einer heiklen Situation und muss seinen ganzen Geist in die Waagschale werfen, um sich mit Ehren herauszuziehen, ohne allzu viel preiszugeben.
    Der Raum hat sich mit Rauch gefüllt. Pilar hustet und muss in ihrer Arbeit innehalten. Der Oberstleutnant steht auf und öffnet das Fenster. Vom dunklen Innenhof dringen ein kalter Luftzug und das monotone Klappern einer Schreibmaschine herein. Nach einer Minute betrachtet der Oberstleutnant den Raum als gelüftet und schließt das Fenster wieder. Mallol fährt mit seiner Darlegung fort. «Aber Primo de Rivera ist nicht nur verantwortungslos und dumm, sondern auch ein Leichtfuß, und das ist offensichtlich. Er hat Mussolini und Hitler besucht, um sie um ihren Segen und ihre Hilfe zu bitten; beide haben ihn mit offenen Armen empfangen, ihn aber sogleich durchschaut und dann mit guten Worten abgewimmelt. Mussolini lässt ihm jeden Monat eine bestimmte Summe zukommen, mit der er knapp die Organisationskosten bestreiten kann. Hitler keinen Pfennig. Mit demselben Ergebnis hat er seine Dienste der extremen Rechten und der extremen Linken angetragen. Die Sozialisten haben ihn mit Waffengewalt empfangen; die Anarchisten haben ihn angehört wie einen Geistesgestörten und ihm, als sie sich zu langweilen begannen, die Tür vor der Nase zugeschlagen. Auch Gil-Robles hat ihm einen Korb gegeben, und obwohl sich viele Militärs vom Faschismus angesprochen fühlen, kommt es ihnen nicht im Traum in den Sinn, auf die Falange zu rechnen, falls sie denn putschen würden – sie sind nicht auf die armselige Hilfe einer Gruppe unerfahrener Gecken angewiesen und auch nicht bereit, sich von einem Dummkopf sagen zu lassen, was sie zu tun haben. Überdies erinnern sie sich daran, dass José Antonio aus der Armee ausgestoßen wurde, weil er mit den Fäusten auf General Queipo de Llano losgegangen war. So handelt man sich bei keinem Management Sympathien ein. José Antonio wiederum verachtet die Generale, weil er glaubt, sie hätten seinerzeit aus Feigheit seinen Vater nicht verteidigt oder ihn schlicht und ergreifend verraten. Das Großbürgertum sieht in Primo de Rivera zärtlich einen der Ihren, aber in der Stunde der Wahrheit engagieren sie sich nicht und lassen auch nichts springen – schließlich hat er ja versprochen, mit den Klassenprivilegien Schluss zu machen und die Großbanken zu verstaatlichen. Bei diesem Stand der Dinge bleibt der Falange kein anderer Ausweg, als allein auf die Barrikaden zu steigen, um die Macht zu ergreifen und darauf zu warten, dass die Armee die Initiative unterstützt. Täte sie es, würde sie natürlich nichts erreichen. Wenn die Militärs putschen, dann, wenn sie es entscheiden, nicht wenn es den Falangisten passt, und die Falangisten selbst haben keine Kampfstärke – weder Waffen noch Geld, um welche zu kaufen.»
    Der Ministerialdirektor schweigt, damit sein Gegenüber eigene Schlüsse ziehen kann, ehe er vom Allgemeinen zum Besonderen kommt. «Schon immer haben die Falangisten verzweifelt Waffen zu beschaffen versucht, und

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