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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Hand oder irgendeinem anderen Körperteil die Mauer berührte.
    Nervös sah ich mich nach Geistern um. Die Schatten, die sich in Seattle Underground herumtrieben, waren gefährlich und meistens voller Hass. Ich blickte über die Schulter zurück und fragte: »Camille, Morio, spürt ihr hier irgendwelche übernatürliche Aktivität?«
    Wir blieben stehen, und Camille, Morio und Shade versenkten sich in Trance. Gleich darauf riss Shade die Augen auf.
    »Da kommt was von hinten! Ich weiß nicht genau, was, aber es kommt eindeutig aus der Welt der Schatten.«
    Wir fuhren herum und sahen eine Frau auf uns zurennen. Sie war durchscheinend und hatte das Gesicht zu einem Ausdruck puren Grauens verzerrt. Es sah aus, als schrie sie, doch kein Laut drang aus ihrem Mund, und sie raste einfach durch uns hindurch wie eine eiskalte Brise. Urplötzlich blieb sie stehen, drehte sich um und begann wild mit den Armen um sich zu schlagen. Ich hatte den Eindruck, dass irgendetwas sie um die Taille gepackt und sie sich über die Schulter geworfen hatte, doch niemand von uns konnte sehen, was sie davonschleppte. Die junge Frau hielt auf einmal ein Messer in der Hand und schlitzte sich selbst die Kehle auf. Als Blut aus ihrem Hals sickerte, verblasste sie endgültig.
    »Was zum Teufel war das?« Mir war immer noch kalt.
    »Keine Ahnung«, sagte Shamas. »Aber schauen wir uns mal die Stelle an, wo sie verschwunden ist.«
    Wir blieben etwa da stehen, wo die Erscheinung verblasst war. Ich kniete mich hin und richtete den Strahl meiner Gürtellampe auf den Boden. Da war ein Fleck, getrocknetes Blut. Und nicht sehr alt. Ich blickte mich um. Etwas am Rand des Tunnels fiel mir ins Auge. Ein Messer – es sah aus wie das der jungen Frau.
    »Tja, jetzt wissen wir, dass es sie wirklich gab. Und dass ihr Geist keine Ruhe gefunden hat.« Ganz in der Nähe entdeckte ich eine Nische in der Wand, aus der etwas herausragte. Ich spähte hinein, sehr vorsichtig, denn es konnte sich ein Blähmörgel oder irgendetwas ähnlich Giftiges darin verbergen. Aber es war eine Leiche, schätzungsweise drei Wochen alt. Und sie sah aus wie unsere junge Frau.
    Ich beugte mich vor, um sie mir näher anzusehen. »Schade, dass wir keine Leichenzunge holen können. Sie ist nicht ins Jenseits weitergezogen, sie ist noch hier.«
    Shade blickte über meine Schulter. »Sie war ein Werwesen. Ich kann die astrale Gestalt noch um den Körper sehen. Eine Werwölfin.«
    »Scheiße. Aber für Wolfsdorn brauchen sie keine weiblichen Werwölfe.« Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, was die mit ihr gemacht haben, aber ich würde wetten, dass Van und Jaycee sie aus irgendeinem Grund verschleppt haben. Vielleicht, um sie zur Prostitution zu zwingen oder sich ein bisschen … zu amüsieren …«
    »Wir können nichts für sie tun. Sieh nach, ob sie irgendwelche Papiere bei sich hat, dann können wir ihre Familie benachrichtigen. Aber wir müssen weiter.« Morio wandte sich Camille zu. »Bereiten wir schon mal einen Schutzzauber für die ganze Gruppe vor.«
    Während die beiden sich an die Arbeit machten, durchsuchte ich vorsichtig die Taschen der Toten und fand ihre Brieftasche – eine kleine Kellnerbörse, in die auch das Scheckbuch passte. Mit verzerrtem Gesicht und sorgsam darauf bedacht, den faulenden Körper nicht zu berühren, zog ich die Börse aus ihrer Rocktasche. Ich öffnete sie und sah einen Namen auf der Bankkarte. Clarah Rollings. Rasch sah ich mir den restlichen Inhalt der Börse an.
    Zweiunddreißig Dollar in kleinen Scheinen. Fünfundsiebzig Cent. Ein Foto von Clarah – zumindest sah die Frau so aus wie der Geist von gerade eben – Arm in Arm mit einem jungen Mädchen, das ihr sehr ähnlich sah. Vielleicht ihre jüngere Schwester. Sie sahen so glücklich aus, dass es mir das Herz im Leib herumdrehte. Und ein Führerschein. Clarah Rollings schien zu stimmen. Ich steckte Führerschein, Geld und Foto in meine Jackentasche. So die Götter wollten, würden wir ihrer Familie zumindest diese Dinge von ihr geben können. Und um ihre Leiche würden wir uns kümmern, wenn wir mit dem Club fertig waren.
    »Mehr können wir jetzt nicht tun. Weiter.«
    Wir formierten uns wieder und gingen den Tunnel entlang. Als wir dem Bereich ganz nah waren, der direkt unter dem Energy Exchange lag, stießen wir auf eine Wand, die den Tunnel versperrte.
    »Sieht so aus, als hätte jemand gern seine Ruhe.« Shamas trat vor und betrachtete die Wand eingehend, ohne sie jedoch zu berühren.

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