Katzenmond
sich in die Ecke zurück, um ungestörter telefonieren zu können.
»Also gehen wir von unten rein. Wir schleichen uns durch die Tunnel und greifen sie von hinten an. Was bedeutet, dass wir immerhin die Chance haben, erst auf ihre schmutzigen Geheimnisse zu treffen. Aber wir müssen mit Wachen rechnen.« Ich hob Lysanthra. Mein schimmernder Dolch antwortete mir. Sie besaß ein Bewusstsein und vibrierte wie lebendig in meiner Hand. Je länger ich schon Todesmaid war, umso stärker wurde meine Verbindung mit der Klinge.
Menolly warf einen Blick auf die Wanduhr. »Wir sollten aufbrechen. Was sagt Shamas?«
»Er ist gleich da, ist eben in die Einfahrt abgebogen.« Camille band sich das Haar zu einem Pferdeschwanz zurück. Sie trug einen Emma-Peel-Catsuit aus Leder und einen kurzen Rock, in dem sie sich ungehindert bewegen konnte. Ihre Schnürstiefel hatten nur einen kleinen Pfennigabsatz.
Ich war in eine alte Jeans geschlüpft, die mir ebenfalls Bewegungsfreiheit ließ, und zog nun eine Jeansjacke über mein T-Shirt. Meine Wanderstiefel mit Stahlkappen hatten sich schon oft bewährt. Menolly trug wie immer eine schwarze Jeans, einen langärmeligen Rollkragenpulli und ihre Doc Martens.
Die Jungs hatten sich schon bewaffnet. Roz öffnete seinen frisch bestückten langen Mantel vor uns wie ein Exhibitionist, und es sah ganz so aus, als hätte er eine Menge neues Spielzeug da drin.
»Ehrlich, du bist eine wandelnde Zeitbombe. Eines Tages wird dich jemand so ärgern, dass du mit dem ganzen Zeug da Amok läufst.« Ich schnappte mir die ausgedruckten Pläne des Energy Exchange und Umgebung. »Dann sind wir wohl so weit. Fahren wir.«
Camille, Menolly und ich verabschiedeten uns mit einem Küsschen von Maggie. »Pass gut auf sie auf, Johnson«, flüsterte ich und kraulte ihr das pelzige Köpfchen.
»Kommt heil wieder nach Hause, Delilah … ihr alle.« Chase nickte mir ernst zu.
Als wir vor die Tür traten, starrte ich zum dunklen Himmel hinauf. Der Regen hatte nachgelassen, aber das würde wohl nicht lange so bleiben. Eine kleine Lücke tat sich zwischen den Wolken auf, und ein einzelner Stern funkelte darin. Ich hielt diesen Anblick fest, als klammerte ich mich an einen Rettungsring. Er war wie ein Versprechen, dass wir dieses Mal alle unverletzt davonkommen würden. Aberglauben? Gut möglich. Aber manchmal blieb eben nichts anderes mehr.
Die Fahrt zum Energy Exchange verlief sehr still. Wir waren mit Morios SUV und Camilles Lexus unterwegs. Morio fuhr Shade, Vanzir, Menolly und mich. Camille hatte Smoky, Roz und Shamas dabei. Wir hatten entschieden, eine Querstraße vom Club entfernt in den Untergrund hinabzusteigen. Dort gab es einen Zugang zum unterirdischen Seattle, der wie ein Abwasserkanal aussah, aber tatsächlich hinunter in die Tunnel führte.
Diesmal waren wir gleich mit Handschuhen ausgerüstet. Die Sprossen, an denen man hinabklettern konnte, waren aus Eisen und hätten Camille und mich sonst schwer verletzt. Eisen verbrannte auch Menollys Haut, aber ihre Wunden würden viel schneller heilen als unsere. Dank der dicken Fleecehandschuhe jedoch bewältigten wir die Leiter problemlos.
Seattle Underground war ein unheimlicher Ort voller Spinnweben und Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Die Tunnel waren kühl und feucht, und es roch hier drin wie in einer Grabkammer – muffig mit einem Hauch von Moder. Im Gegensatz zu den Abwasserkanälen bestanden Boden und Wände aus Backstein und Holz, und die vielen Schlupfwinkel waren einst Kellerräume gewesen. Wir waren zwei Stockwerke unterhalb der Straße, gut drei oder vier Meter.
Ich knipste die Lampe an meinem Gürtel an. Wir hatten einen wunderbaren Bergsportladen entdeckt, in dem es alle möglichen praktischen Sachen gab, darunter Gürtellampen, Seile so stark wie die aus Spinnenseide und andere Ausstattung. Roz hatte vor ein paar Monaten ein kleines Vermögen dort ausgegeben, und nun waren wir ausgestattet wie für eine Expedition.
In dieser Gegend waren die ehemaligen Gassen sehr schmal. Ich ging mit Shamas und Menolly voran. Camille und Morio waren die Nächsten, dann kamen Smoky und Roz, und Shade und Vanzir bildeten die Nachhut. Wir schlichen den Gang entlang und achteten darauf, nicht die Wände zu berühren. Hier unten gab es Viro-mortis-Gallerte – die grüne Art war nur lästig, aber die violette konnte tödlich sein. Das Problem war, dass beide an Wänden klebten, schwer zu sehen waren und nur darauf warteten, dass ein Opfer mit der
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