Katzenmond
Ich stellte mich an die Spitze. »Überlasst mir die Führung. Ich lechze nach einem ordentlichen Kampf. Endlich mal wieder.«
Mein Puls beschleunigte sich, als die anderen mich ansahen und beiseitetraten. Ich war eine Weile außer Gefecht gewesen, dank meiner Verletzungen, und als Camille entführt worden war, hatte ich zwar getan, was ich konnte, aber das war nicht genug gewesen. Ich brauchte das Gefühl, meinen Teil beizutragen und meine Familie und meine Freunde nicht im Stich zu lassen.
Die beiden Türflügel des Haupteingangs waren aus den Angeln gerissen und beiseitegeschleudert worden. Das Metall war verbogen und geknickt. Treggarts waren unnatürlich starke Dämonen, aber äußerlich sehr menschenähnlich. Manche von ihnen waren sogar einmal Menschen gewesen und hatten sich freiwillig den Dämonen angeschlossen, um selbst einer zu werden. Ein Trupp Treggarts sah üblicherweise aus wie ein Grüppchen Hell’s Angels – an sich ja nicht schlecht, aber im Vergleich zu den Dämonen standen die Rocker wie Pfadfinder da. Die meisten VBM spürten irgendetwas Unnatürliches an ihnen, schrieben das aber wahrscheinlich der aggressiven Ausstrahlung zu.
Wir näherten uns der Türöffnung von der Seite, und ich spähte vorsichtig um die Ecke. Von weiter hinten im Kaufhaus, irgendwo rechts, konnte ich Schreie und lautes Gebrüll hören. Die Dämonen schienen keine Wachen postiert zu haben – Treggarts waren großspurig und ziemlich eingebildet.
»Psst. Hier drüben.« Shamas winkte uns von seinem Versteck am Ende einer Regalreihe aus zu, und wir huschten zu ihm hinüber. Er lugte um die Ecke des Regals und wandte sich wieder uns zu. »Sieht übel aus. Sie haben Thayus entdeckt und sich auf ihn gestürzt – ich weiß nicht, ob er es geschafft hat, ich konnte ihm nicht helfen. Die drehen hier durch. Die Ladeninhaber und die meisten Kunden konnten sich ganz nach hinten retten. Jade ist ein kluges Mädchen, sie hat den Pausenraum mit einer soliden Stahltür und Sicherheitsschloss ausstatten lassen. Ich weiß nicht, was sie durchgemacht hat, das ist eigentlich fast paranoid. Aber diese Paranoia hat gerade ihr und ihren Kunden das Leben gerettet. Soweit ich das beurteilen kann, versuchen die Dämonen immer noch, die Tür aufzubrechen.«
Neben Shamas waren Blutspritzer auf dem Boden zu sehen. Camille berührte ihn am Arm. »Ist das dein Blut? Bist du verletzt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Sie haben ein paar Kunden erwischt und … es gibt mehrere Todesopfer. Ich konnte mich hier verstecken. Entweder haben sie mich vergessen, oder sie interessieren sich mehr dafür, endlich diese Tür aufzukriegen.«
Plötzlich stand mir ein Bild davon vor Augen, wie jemand den Deckel einer Sardinendose aufriss. Rasch schob ich es beiseite.
»Müssen wir sonst noch irgendetwas wissen, ehe wir sie angreifen?« Ich dachte dabei eher an ihre Bewaffnung oder ob Shamas den Anführer hatte ausmachen können. Doch Shamas’ Antwort traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel – uns alle.
Er neigte den Kopf zur Seite und seufzte laut. »Ja, allerdings. Ich will euch das nicht sagen müssen, aber ihr müsst es wissen. Ich habe einen von ihnen wiedererkannt.«
»Wie … Wo hast du ihn schon mal gesehen?«
Camille stieß einen Laut wie ein gepresstes Quietschen aus und wich einen Schritt zurück. »Nein. O Shamas, nein …«
Er sah ihr in die Augen und erwiderte grimmig: »Du weißt, was ich euch zu sagen habe, nicht wahr? Du hast es schon vor einiger Zeit erraten, mich aber nie damit konfrontiert.«
Sie nickte, und die Spannung zwischen ihnen knisterte beinahe hörbar. »Ich habe darauf gewartet, dass du selbst damit herausrückst. Ich will nicht diejenige sein, die es ausspricht.«
Ich blickte von einem zum anderen und runzelte die Stirn. »Was zum Teufel ist hier los? Shamas? Wovon sprecht ihr?«
Nach einer verlegenen Pause straffte er die Schultern. »Ich wusste, dass du irgendwann dahinterkommen würdest. Vor allem, da du mit dem da verheiratet bist.« Er wies mit einem Nicken auf Morio.
Der stieß ein leises Knurren aus. »Solange du die Mädchen nicht damit behelligt hast, war ich bereit, es für mich zu behalten. Aber sie müssen Bescheid wissen, und zwar jetzt.«
»Sagt uns jetzt endlich jemand, was hier los ist, verdammt noch mal?« Alle starrten mich an. Ich fluchte längst nicht so oft wie Menolly oder Camille.
»Also gut.« Shamas hielt kurz den Atem an und ließ ihn dann langsam ausströmen. »Einer der
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