Katzenmond
ging dran. Erst hörte ich nichts, dann ein schwaches Flüstern.
»Delilah, ich brauche Hilfe. Hier ist Marion. Ich bin in der Bibliothek. Ich habe das Gefühl, dass mich jemand verfolgt, und ich traue mich nicht, allein rauszugehen. Hier will ich niemanden bitten, mich zu begleiten – was, wenn es die Koyanni sind? Die hätten keine Skrupel, irgendeinen völlig unbeteiligten Menschen zu töten, der mir zu helfen versucht.«
Ich war davon ausgegangen, dass Marion bei der Versammlung war, aber als ich mir den Abend vergegenwärtigte, wurde mir bewusst, dass ich sie in der Menge nicht gesehen hatte. »Wo bist du genau?«
»In der Seattle Public Library auf der Bücherspirale – du weißt schon, die Rampen hoch zum Lesesaal. Die Bibliothek schließt in zehn Minuten, dann muss ich hier raus.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Wir waren nicht allzu weit weg. »Geh runter zum Empfang und warte da. Ich rufe Chase an. Er und seine Männer müssten es rechtzeitig schaffen, falls wir nicht vorher da sind.«
Ich legte auf, drückte die Kurzwahl für Chase und bat ihn, einen Wagen mit zwei kräftigen ÜW -Officers zur Bibliothek zu schicken und Marion abzuholen. »Wir sind auch schon unterwegs.«
Ich winkte Neely zu, verabschiedete mich knapp, eilte zurück in den Saal und zerrte Menolly und Camille mit mir. »Wir müssen zur Bibliothek.
Sofort.
Gib Trillian deinen Autoschlüssel, dann kann er mit den Jungs nachkommen, falls wir sie brauchen. Sehen wir erst mal nach, womit wir es zu tun haben.«
Wir sprangen in meinen Jeep, Menolly folgte uns in ihrem Jaguar. Es war nicht weit zur Bibliothek, und es herrschte kaum Verkehr. Die Ampeln waren mir gewogen, und wir rasten durch die Straßen, ohne ein einziges Mal anhalten zu müssen. Wir schafften es in neun Minuten. Vor der Bibliothek stand schon ein Streifenwagen.
Wir eilten zum Eingang und sahen Shamas und Yugi neben Marion davorstehen. Die Bibliothek hatte gerade geschlossen, und durch die Glasfassade konnten wir die Mitarbeiter drinnen aufräumen sehen.
»Was ist los, Marion?« Ich blickte mich um. Die letzten Besucher verließen das Gebäude, doch niemand schien uns besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
»Ich war ganz oben auf der Bücherspirale und habe mich einfach nur ein bisschen umgesehen. Mir war nicht danach, so viele Leute zu treffen, deshalb bin ich nicht zur Versammlung gegangen. Ich komme mit diesen ganzen Beileidsbekundungen nicht so gut zurecht.« Sie biss sich auf die Lippe. »Mir war klar, dass die Leute mich auf Trixie ansprechen würden, und ich hätte heute Abend einfach kein Mitleid vertragen können. Verstehst du?«
Ich nickte. Manchmal war Trauer schwer genug zu ertragen, auch ohne diese Welle des Mitgefühls. »Also bist du hergekommen, um ein bisschen Ruhe zu haben.«
»Ja. Ich habe nach ein paar Reiseführern geschaut – ich wollte schon immer mal an die Ostküste. Maine, oder vielleicht die Hamptons, obwohl ich nicht so scharf auf die High Society bin. Am Strand spazieren gehen … in einer kleinen Pension übernachten, jeden Abend gemütlich lesen, tagsüber durch die Antiquitätenläden bummeln.«
Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ den Kopf hängen. »Ich werde Douglas sagen, dass ich mich scheiden lassen will. Wir haben uns auseinandergelebt. Die Kinder sind aus dem Haus, sie brauchen uns nicht mehr. Ich brauche ein bisschen Zeit für mich, um mir darüber klar zu werden, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen will.«
Marion war uns begegnet, als wir ihrer Freundin Siobhan zu Hilfe gekommen waren. Wir kannten sie also schon eine Weile, wussten aber kaum etwas über ihr Privatleben. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Sie wirkte resigniert, aber nicht furchtbar unglücklich.
»Okay, und was ist hier passiert?«
»Ich war zwischen den Regalen und hatte auf einmal das Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Also habe ich mich umgesehen – und da waren zwei Typen ein Stück hinter mir. Einer ist mir besonders aufgefallen – er kam mir irgendwie bekannt vor.« Sie sah mich an. »Du kennst doch das Gefühl, wenn ein anderes Werwesen deiner Art in der Nähe ist?«
Ich nickte. Auch ich spürte die Anwesenheit anderer Werkatzen, ob groß oder klein – ein unerklärliches Gefühl des Wiedererkennens, der Verwandtschaft.
»Genau so war es. Ich könnte schwören, dass er ein Kojotewandler war, und er fühlte sich widerwärtig an. Bei dem anderen bin ich mir nicht sicher. Ich bin nervös geworden, habe die
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