Katzenmond
aus ich in ein Meer von Gesichtern blickte. Das waren ernste Gesichter, ein paar auch verweint. Fünf Todesfälle in der Gemeinde der Übernatürlichen hatten eine weitreichende Wirkung. Fast jeder von uns wurde davon auf irgendeine Art und Weise berührt. Ob wir Angehörige oder Freunde verloren hatten oder fürchten mussten, dem nächsten willkürlichen Mord zum Opfer zu fallen – fast jedes Gesicht im Saal drückte Sorge aus.
Die Leute nahmen ihre Plätze ein, und nach ein paar Minuten standen Menolly und ich auf und traten ans Mikrofon. Wahrscheinlich hätte man uns auch so verstanden, aber da sich über hundert Leute in diesen Raum gedrängt hatten, entschieden wir uns lieber für die akustische Verstärkung.
»Herzlich willkommen zur Februarversammlung der Übernatürlichen Gemeinde.« Ich holte tief Luft und legte los. Wir würden genauso vorgehen wie immer – der gewohnte Ablauf würde die Angst mildern. Also verlas ich zuerst das Protokoll der letzten Versammlung und bedankte mich dann offiziell bei Frederick – und damit Roman – dafür, dass er dem Gemeinderat diesen Versammlungssaal zur Verfügung stellte.
Dann ließ ich den Blick über die vielen Gesichter schweifen. Wie anfangen? Wie warnte man so viele Leute davor, dass sie alle mögliche Anschlagsziele sein könnten, weil irgendein Wahnsinniger einen Groll hegte?
»Wir haben ein Problem. Inzwischen habt ihr sicher alle von der Explosion im Gebäude der ÜW -Gemeinde gehört. Ich fasse die Tatsachen kurz zusammen.« Ich erklärte knapp, was passiert war, und ließ natürlich die dämonischen Hintergründe weg. Allerdings ging ich darauf ein, dass Andy Gambit am nächsten Morgen in der Ruine herumgestochert hatte. »Wir möchten nicht, dass jemand Gambit belästigt, aber wir müssen seiner Hetze etwas entgegensetzen. Was, das müssen wir uns gemeinsam überlegen. Ehe ich zum nächsten großen Problem komme – gibt es Fragen?«
Ich blickte mich um, und nur einer der Werbären vom Blue-Road-Stamm hob die Hand. Ich zeigte auf ihn. »Jonas?«
»War diese Explosion ein Anschlag auf uns?« Der große, massige Mann mit den schwarzen Locken und dem ordentlichen Bärtchen stand auf. Er wirkte wie ein stämmiger Footballspieler im dreiteiligen Anzug, der mir den Kopf abreißen könnte, ohne sich sonderlich anzustrengen.
Ich schüttelte den Kopf. »Deine Frage bringt mich zu dem noch größeren Problem, das ich als nächstes ansprechen wollte. Der Anschlag wurde nicht aus Hass auf uns Übernatürliche verübt. Das waren nicht die Erdgeborenen Brüder oder die Freiheitsengel. Erinnert ihr euch an die Mordserie an Werwölfen vor ein paar Monaten? Wir haben es wieder mit denselben Leuten zu tun. Koyanni sind hier in die Gegend gezogen.«
Ehe irgendjemand auf dumme Gedanken kommen konnte, fuhr ich laut fort: »Die ehrlichen Kojotewandler, die hier leben – Marions Familie und die anderen – trifft absolut keine Schuld daran. Marion hat sogar bei dem Anschlag ihre Schwester verloren. Nein, wir wissen, dass Koyanni hierher gezogen sind und es auf die ehrlichen Werkojoten genauso abgesehen haben wie auf uns alle. Sie haben Hexer mitgebracht. Soweit wir feststellen konnten, wurde die Explosion von einem Feuerzauber ausgelöst. Noch vor dem Bombenanschlag haben sie Wilbur Folkes überfallen, einen unserer Nachbarn und Freunde. Wir haben ihn heute Morgen gefunden – noch am Leben, aber sehr schwer verletzt. Außerdem sind sie über das Davinaka-Einkaufszentrum hergefallen und haben dort zwei Leute getötet.«
Jonas nickte. »Was können wir tun? Wo werden sie als Nächstes zuschlagen?«
Ich warf Menolly einen kurzen Blick zu. Mit einem Nicken bedeutete sie mir, dass ich die Frage beantworten sollte.
Ich wandte mich wieder dem Werbären zu. »Das wissen wir nicht. So ist es leider. Wir haben keine Ahnung, auf wen sie es als Nächstes abgesehen haben. Wir verfolgen mehrere Spuren und hoffen, dass wir sie so schnell wie möglich finden. Aber bis dahin müssen wir zusammenhalten. Achtet auf eure Freunde und Nachbarn. Geht nicht allein irgendwohin – nur im Rudel.«
»Das wird sie nicht daran hindern, irgendwo anders eine Bombe zu legen. So werden nur noch mehr Leute auf einmal getroffen.« Ein anderer Mann stand auf. Ich konnte ihn dem Olympic-Wolfsrudel zuordnen, wusste aber seinen Namen nicht mehr.
Ich wollte ihn beruhigen. Zu gern hätte ich ihnen irgendeine Art von Gewissheit gegeben, aber es war nun einmal Tatsache, dass wir niemandem
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