Katzenmond
»Und wie es der Zufall will, haben wir dabei einen gemeinsamen Bekannten entdeckt.«
»Knut Kaiser?«, tippte Liebermann.
»Sehr lustig. Nein, Menne, einen Maler. Früher mal eine lokale Berühmtheit, jetzt vergessen. Vor ein paar Wochen hab ich ihn interviewt, nachdem mir irgendwer erzählt hatte, dass er auf einem Kahn lebt, weil er aus seiner Wohnung saniert worden ist. Nach dem Gespräch musste ich ihn allerdings in die Notaufnahme bringen. Er hatte eine volle Flasche Klaren gepichelt. Warst du mal in Constanzes Zimmer? Das Bild über dem Bett ist von ihm. Origineller Typ, nur leider völlig hinüber.«
Oberhalb seines Nackens fühlte Liebermann ein vertrautes Kribbeln. »Sag, liegt das Hausboot von diesem Menne zufällig unten an der Havel, wo wir Kaiser gefunden haben?«
David blinzelte. »Zufällig ja. Obwohl Hausboot ein bisschen übertrieben ist. Wrack trifft es besser.«
»Aber er benutzt es noch?«
In Davids blassen Augen glomm plötzlich Misstrauen auf. »Worauf willst du hinaus? Denkst du etwa, er hat Kaiser umgebracht?«
»Ich wüsste nicht, wieso ich das denken sollte.«
»Genau«, sagte David und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche. »Tatsache ist nämlich, dass Menne seit der Entlassung aus dem Krankenhaus in einer Entzugsklinik weilt. Das hat mir Constanze erzählt.«
»Demnach steht das Boot im Moment leer.« Es überraschte Liebermann immer wieder, wie sich die Dinge manchmal zusammenfanden. Leid tat es ihm nur für Frank. Wie es aussah, hatte sein Traumschiff gerade ohne ihn abgelegt. »Hat Menne einen Hund?«
»Einen Hund?«
»Oder einen Wolf?«
Mit einer vorsichtigen Bewegung stellte David seine Flasche auf den Tresen. »Nicht, dass ich wüsste. Entschuldige, ich muss kurz nachsehen, ob auf der Terrasse alles ruhig ist.«
Kurz darauf kündete ein leises Quietschen auf den Dielen von seiner Rückkehr. »Estrellas Abwesenheit geht den Leuten offenbar auf den Durst. Wo waren wir?«
»Bei Mennes Hund.«
»Ach ja.« David kritzelte etwas auf den Rechnungsblock. »Mir ist kein Hund aufgefallen. Wer hätte sich auch um den kümmern sollen, wenn sein Herr dauernd besoffen ist? Aber bevor ich dir etwas Falsches erzähle, frag lieber Constanze.« Er legte den Block weg und ging zum Kühlschrank. Flaschen klirrten auf das Tablett.
»Das werde ich. Danke für den Tipp.«
Als er das Portemonnaie zückte, winkte David ab. »Du hast mir immerhin einen Gang zur Polizei erspart.«
Nach ein paar lahmen Versuchen, ihn umzustimmen, gab Liebermann auf und ließ sich von ihm zur Tür bringen.
»Was hältst du von ihr?«, fragte David, als sie die Tür und damit der Kneipenlärm hinter sich ließen. »Ich meine Constanze.«
Liebermann zögerte. »Ich denke, dass sie Kaiser geliebt hat. Warum fragst du?«
David trat nervös auf der Stelle. »Weil … Verstehst du, in Büchern sind die Detektive immer die Guten. Ich dachte, ich tue Viv einen Gefallen, indem ich die Wahrheit über ihren Mann herausfinde. Entweder gebe ich ihr ihren Seelenfrieden zurück oder wenigstens die Kraft, sich von ihm zu trennen. Besser ein harter Schnitt als eine schwelende Wunde, fand ich. Aber was ist stattdessen passiert? Kaiser ist tot, Viv mit den Nerven am Ende, und Constanze steht unter Mordverdacht.«
Liebermann zog seine Zigaretten heraus. »Vielleicht tröstet dich ein Blick von der anderen Seite. Kaiser ist tot, daran lässt sich nichts ändern. Aber er hat zwei Frauen hinterlassen, die – wenn sie sich einmal von ihren Blessuren erholt haben – wieder frei für einen Neuanfang sind. Und womöglich haben sie beim nächsten Mal mehr Glück.«
David sah auf. »Dann glaubst du, dass Constanze unschuldig ist?«
»Es spielt keine Rolle, was ich glaube«, erwiderte Liebermann. »Bei Kaiser wurde ein Gegenstand gefunden, der ihr gehört, und sie hat kein Alibi für die Mordzeit, zwei Dinge, die in einer Ermittlung schwer wiegen.«
David nahm eines seiner Ohrläppchen zwischen die Finger und zwirbelte es. »Mal angenommen, sie hätte doch ein Alibi. Oder zumindest ein halbes. Würde ihr das helfen?«
»Nichts wäre hilfreicher. In dem Fall würde mich allerdings wundern, warum sie es nicht erwähnt hat.«
»Vielleicht, weil sie es nicht weiß«, sagte David und zerquetschte beinahe sein Ohr. »Ich habe vorhin ein bisschen was verschluckt, weil ich dachte, dass ich schon tief genug in der Scheiße stecke. Dabei steckt in Wirklichkeit Constanze drin.« Erholte tief Luft. »Tja, also genau genommen haben
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