Katzenmond
enttäuscht bin!«
Liebermann fand es an der Zeit, sich einzuschalten. »Stimmt es, dass David dich in die Schule geholt hat?«, fragte er Timmi.
»Na ja. Ich hatte Jürgen gesteckt, dass mir der Kredit für den Laden im Nacken sitzt, und er hat mich mit den besten Wünschen zu David geschickt. Wenn ihr mich fragt, spekuliert Jürgen darauf, ihn als langfristigen Ersatz für Estrella einzuarbeiten. Und da hat es ihm überhaupt nicht in den Kram gepasst, dass die von der Aphrodite ausgerechnet jetzt Davids Stundenzahl aufstocken wollten. David auch nicht, glaube ich. Also hat er mich zu seiner Chefin geschleppt, und nach ein bisschen Hin und Her hat sie mich genommen.«
»Ausgerechnet dich!«, sagte Ralph kopfschüttelnd. »Das versteh einer.«
»Versteh’s oder nicht!«, knurrte Timmi. »Egal, ich erwarte noch einen Kunden.« Er drückte seine Kippe zusammen, ließ sie in der Hand verschwinden und stapfte über die Straße zu seinem Laden.
Liebermann blickte ihm hinterher. »Seltsame Zeit für Kunden, findest du nicht?«
Ralph schüttelte den Kopf. »Ich glaube, dass er ein schlechtes Gewissen hat. Und zwar völlig zu Recht.« Im Gegensatz zu Timmi entsorgte er seinen Zigarettenstummel ordnungsgemäß in einem leeren Blumentopf neben dem Eingang. »Ich muss auch los. Lilly feiert bei deiner Freundin, und es wird Zeit, dass ich unsere Nachbarn vom Babyfon befreie. Kommst du mit?«
»Ich hab noch was mit David zu besprechen.«
»Mit David?« Ralph runzelte die Stirn. »Lass dir bloß keinen Job andrehen. Du hast eine tolle Frau. So eine findest du so schnell nicht wieder.«
»Das ist mir bewusst«, sagte Liebermann lächelnd. Ihm fiel auf, dass er an diesem Abend ziemlich viel lächelte, obwohl es alles in allem wenig Grund dafür gab. Ein Mann war tot, sogar zwei, wenn man Urija mitzählte, und ein Mädchen stand kurz vor der Festnahme, weil sie so borniert war, jemanden zu decken, der es vermutlich nicht verdiente.
Im Inneren des Katinka hockte ein Pärchen über einer Partie Backgammon. Die übrigen Gäste tummelten sich wie gehabt auf der Terrasse hinter der Bar. David schwirrte von dort herein, deutete auf eine offene Flasche auf dem Tresen und flitzte in die Küche. Ein melodisches Brummen aus der Waschecke bezeugte, dass Jürgen einen unbedarften Kunden in die Bedienung seiner Maschinen einführte.
Die Flasche in der Hand, lehnte Liebermann sich rücklings an den Tresen und überblickte die Bar. Bei der Gelegenheit stellte er ein paar kleinere Veränderungen fest, die Jürgen während der letzten Wochen vorgenommen hatte, die ihm aber bisher entgangen waren. Eine Marienstatuette auf einem kleinen Sims an der Wand zum Beispiel und eine der Bänke schienen neu zu sein.
David tauchte japsend wieder auf und schnappte sich eine Cola aus dem Kühlschrank.
»Man muss aufpassen, dass man bei dem ganzen Gerenne nicht dehydriert«, sagte er, ehe er ein flaches Päckchen unter dem Tresen hervorzog. »Hier, deine Post.«
Liebermann hob die Hand und konsultierte gleichzeitig sein summendes Handy. Die Nummer auf dem Display sagte ihm nichts. Die Stimme dagegen schon. Mit einem Wink bat er David um etwas zu schreiben und erhielt einen Bleistift und den Abrechnungsblock. Liebermann notierte ein paar Zahlen, nannte eine Zimmernummer, empfahl eine Dusche ohne Zuschauer, sagte: »Bis morgen!«, und legte auf. David blickte ihn neugierig an.
»Das ehemalige Objekt deiner Observationen«, sagte Liebermann und steckte erst das Handy und dann die Tüte ein. »Danke.«
»Keine Ursache. Wie geht’s Constanze denn nach … alldem?«
Liebermann nahm bedächtig zwei Bierfilze und lehnte sie gegeneinander. »Solltest du das nicht besser wissen?« Als er gegen das Pappzelt blies, zitterte es, aber es hielt stand. »Du stehst den Aphrodite-Schülerinnen schließlich näher als ich.«
David krauste die Nase. »Du machst dir immer noch ein falsches Bild von der Sache. In deiner Vorstellung werfen sich ein Dutzend halbbekleidete Mädchen auf einen männlichen Rücken. In Wirklichkeit ist es jeweils ein einziges, das zumeist einen Jogginganzug trägt und sich ausschließlich auf meine Querund Dornfortsätze konzentriert.«
»Außerhalb der Massagen begegnet man sich nicht?«
»Nur wenn man es darauf anlegt. Und um deinen Tanz um den heißen Brei abzukürzen: Ich habe Constanze van Hoefen nur so lange beschattet, bis ihr Geliebter ins Seegras gebissen hat. Sonst … na ja, wir haben mal einen Kaffee getrunken.« Er grinste.
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