Katzenmond
wir nicht nur einmal Kaffee getrunken, sondern ein paarmal. Es war nicht das, was du denkst«, fügte er rasch hinzu, als Liebermann die Brauen hob. »Nur Freundschaft.« Er lächelte schief. »Du fragst dich jetzt bestimmt, wie einer mit einem Mädchen befreundet sein kann, dem er von Berufs wegen hinterherspioniert. Die Antwort lautet: Es geht, aber es macht einen fertig. Vor allem wenn man mitkriegt, wie ein arroganter Mistkerl das Mädchen ausnutzt. Ich komm einfach nicht drauf, was so einer hat, dass ihm die besten Frauen verfallen.«
»Erfolg«, vermutete Liebermann. »Charme, Geld, Sexappeal, die Frauen werden es wissen. Was ist mit Constanzes Alibi?«
David warf einen Blick über die Straße, als wolle er sichergehen, dass kein ungebetener Lauscher in der Nähe war. Dann sagte er leise: »Sie hat mich letzten Mittwoch angerufen. Kurz nachdem ich hier eingetrudelt war, um mich mit dem Zapfhahn anzufreunden, du erinnerst dich. Sie stand vor einem Restaurant, in das Kaiser sie bestellt hatte, und er kam nicht. Sie war todunglücklich.«
»Und da hat sie dich angerufen?«
»Nun ja: Sie wusste ja nichts von meinem Job. Außerdem hatte sie wegen dieser dämlichen Schulregel sonst niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. Mir hat sie sich oft anvertraut. Leider.«
»Und was hast du ihr gesagt?«
»Na was wohl? Dass sie die Finger von dem Typen lassen und verduften soll.«
Liebermann blickte in das trübe Licht einer Laterne, die aus irgendeinem Grund nicht richtig brennen wollte. Er überlegte, warum Constanze ihren Anruf bei David nicht erwähnt hatte. Die Antwort kam ihm einige Sekunden später.
»Es war einen Versuch wert, David. Aber es reicht nicht für ein halbes Alibi. Im Gegenteil: Ein böswilliger Geist würde ausdeiner Geschichte einen zusätzlichen Beweis dafür ziehen, dass Constanze zur Mordzeit an jenem Restaurant war, wo Kaiser vermutlich vergiftet wurde. Und in dem man sie übrigens ebenso vermutlich gesehen hat. Sie hat deinen Ratschlag nicht befolgt, sondern ist reingegangen.«
David ließ die Arme hängen. »Bist du sicher?«
»Nein. Aber andere sind es, das ist fast genauso schlimm.«
Als Liebermann Nicos Tür aufschloss, sorgte sein Erscheinen für Heiterkeit. Offenbar war keine der Damen mehr ganz nüchtern, außer Ralphs Frau Lilly und – Estrella.
»Solltest du nicht im Bett sein und die Beine hochlegen?«, fragte er.
Nico gab ihm einen beerigen Kuss. »Warum? Mit Estrella ist alles in Ordnung. Sie wird einen prachtvollen Jungen bekommen, und zwar genau zur richtigen Zeit.«
Die Damen grinsten verschwörerisch, ausgenommen Laura, die gedankenverloren einen Staubfaden betrachtete, der von der Flurlampe herabhing.
»Dann bis Sonntag bei mir zum Tatort «, sagte eine Frau, die Liebermann nicht kannte.
»Ich kann nicht«, murmelte Laura. »Ich geh mit David ins Theater.« Ihre Worte gingen in den stimmungsvollen Abschiedsritualen unter.
»Wartet«, rief Nico und rannte in die Küche. Bei ihrer Rückkehr trug sie einen Stapel Postkarten, auf deren Rückseite Liebermann Perlen schimmern sah. »Hier, die habe ich von einer Firma geschickt bekommen, die Stillhütchen produziert. Die scheinen da eine humorvolle Werbeabteilung zu haben.«
»Was ist das?«, fragte die unbekannte Frau.
»Pillen. Estrella, für dich kommen sie leider zu spät.« Nico schob ihr feixend eine Karte zu. »Nein, ruhig Blut. Nur ein Adventskalender, die Pillen sind aus Schokolade. Bisschen früh imJahr, aber wenn ich sie nicht bald loswerde, esse ich sie allein auf.«
Sie grinste Liebermann an. »Und dann bin ich womöglich auf ewige Zeiten unfruchtbar.«
Als der Schwall schnatternder Frauen auf den Bürgersteig schwappte, zog Serrano sich eilig zurück. Aus den Tiefen seines Flieders versuchte er dahinterzukommen, aus welchem Grund sie das halbe Revier in Alarmbereitschaft versetzten.
Nach einer Weile kribbelte ihn etwas am Bauch. Serrano senkte den Kopf und kam gerade noch rechtzeitig, um eine Zecke zu erledigen, ehe sie sich festbohren konnte. Verdutzt schluckte er sie herunter. Sie schmeckte nach nichts. Aber er hatte Bismarcks Wink verstanden: Bohre weiter!
Serrano vergaß die Frauen und schloss die Augen. Der Tag war anstrengend gewesen und er überreif für einen Schwarzen. Allerdings hatte diese Sorte Schlaf so seine Tücken. In ihrer Dunkelheit gingen zuweilen Dinge verloren. Erinnerungen, Sätze, die man gerade noch im Kopf gehabt hatte, vage Ideen oder halbgegorene Pläne. Bismarck hatte
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