Katzenmond
etwas weiß, aber der Ruf meiner Schule einen Riss bekommt.«
»Dann lassen Sie uns hoffen, dass dieser zu den restlichen acht gehört.«
Kurz darauf musste Liebermann einsehen, dass auch Minderheitsquoten ihre Berechtigung hatten. Die jungen Frauen lauschten aufmerksam dem Bericht ihrer Rektorin, dem zufolge Constanze van Hoefen das Haus gegen Mitternacht verlassen und seitdem nicht wieder betreten hatte. Ihre Affäre mit Kaiser streifte Elsa Laurent mit keinem Wort. Als Liebermann sich vorstellte, kam deshalb Getuschel auf, das sie mit einer knappen Geste beendete. »Der Hauptkommissar hat einige Fragen an euch.«
Im Grunde hatte Liebermann nur eine Frage, die er ruhig in den Raum stellte. Die Antwort war Kopfschütteln, das sich von wenigen auf viele übertrug. Man war allgemein erstaunt über Constanzes Abwesenheit. Und noch erstaunter, als Liebermann den toten Internisten ins Spiel brachte. Sehr zum Unmut Frau Laurents, die mit versteinerter Miene im Hintergrund stand.
»Das muss ein Irrtum sein«, sagte eine üppige Rothaarige. »Wir pflegen keine Liebschaften in der Stadt. Und Constanze ist ziemlich pedantisch, was die Regeln betrifft.« Umfassendes Nicken, ergänzt durch Blicke, denen Liebermann entnahm, dassConstanze es mit ihrer Pedanterie zuweilen etwas übertrieb. Sie war eine Musterschülerin und kam mit allen gut aus, ohne jedoch eine engere Freundin an der Schule zu haben. Das war alles, was die Pause einbrachte. Als das unsichtbare Orchester sie beendete, schickte Frau Laurent ihre Elevinnen in die Kurse zurück und schloss die Tür. »Und nun?«
»Ich würde mir gern Fräulein van Hoefens Zimmer ansehen.«
Sie zog blinzelnd an ihrer Perlenkette. »Also, unter ihrem Bett liegt sie nicht, falls Sie das vermuten. Und es gibt auch keine Nachricht oder so etwas, danach habe ich schon gesucht.«
»Vier Augen sehen mehr als zwei«, meinte Liebermann freundlich. »Oder sechs, falls Sie uns assistieren wollen.«
»Wenn’s sein muss.« Elsa ließ ihre Kette fahren. »Aber ich sag Ihnen gleich, dass es Zeitverschwendung ist. Da oben ist alles beim Alten, wenn man davon absieht, dass Constanze fehlt.«
Auf den ersten Blick waren tatsächlich keine großartigen Veränderungen in der Kammer festzustellen. Deshalb begnügte Liebermann sich zunächst mit den kleinen. »Sie scheint den Ausflug nicht geplant zu haben«, sagte er und deutete auf die zerwühlte Bettdecke. »Entweder hat jemand sie mitten in der Nacht gerufen, oder ihr ist mitten in der Nacht etwas eingefallen.«
»Oder sie will uns genau das glauben machen«, brummte Müller, der missmutig zwischen Wand und Schreibtisch klemmte.
Statt einer Antwort öffnete Liebermann nacheinander einige Schachteln, die er unter dem Bett gefunden hatte. Aus der letzten hob er zwei Fotos, betrachtete sie eine Weile und steckte sie dann in die Innentasche seiner Jacke.
»Haben Sie dafür eine Genehmigung?«, fragte Elsa Laurent.
Liebermann lächelte. »Schnappen Sie sich den Laptop, Müller. Wir sind hier fertig. Den Rest können die anderen übernehmen.«
Die Rektorin erbleichte. »Die anderen? Den Rest des Hauses? Verflixt, was suchen Sie eigentlich?«
Liebermann drehte sich zu ihr um. »Ein Handy.«
»Sinnlos. Das hat sie wahrscheinlich bei sich!«
»Nicht ihres, das ihres Geliebten.«
Elsa Laurent rang um Luft. »Hier? Der Mann ist in der Havel gefunden worden!«
»Sein Telefon aber nicht«, entgegnete Liebermann. »Haben Sie mitbekommen, ob Constanze allein weggegangen ist?«
»Ich hab nicht mal mitbekommen, dass sie gegangen ist. Mir ist nur Estebans Gekläff aufgefallen und als Nächstes, dass sie weg war.«
»Schade. Kommen Sie, Müller.«
Nacheinander schoben sie sich an der fassungslosen Rektorin vorbei. An der Tür blieb Liebermann stehen. »Hier hat gestern Fräulein van Hoefens Mantel gehangen«, sagte er und zeigte auf die Hakenleiste an der Wand. »Dabei sieht es eigentlich mehr nach einem Schlüsselbrett aus.« Er tippte auf ein mit einem kleinen Haus bemaltes Holzbrettchen über einem der Haken. »Solche Bilder klebten seinerzeit über den Garderobenhaken im Kindergarten meiner Tochter, damit die Kleinen ihre Sachen leichter finden konnten.«
»Dann werden die hier wohl demselben Prinzip folgen«, knurrte Elsa Laurent. »Das Haus bedeutet, dass hier der Zimmerschlüssel hing. Und das Fahrrad daneben bedeutet Fahrrad.«
»Und das Schiff?«
»Der Schlüssel zu ihrer Yacht«, schlug Müller feixend vor.
Elsa Laurent kniff die Augen
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