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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Gericht erreichen sollten.
    Auch den anderen Brief hatte Liebermann noch unterwegs begonnen. Doch bereits nach den ersten Sätzen waren ihm die Beine schwer geworden, und er hatte ihn weggesteckt, um ihn irgendwo zu beenden, wo es einen Stuhl gab. Am Ende hatte er sogar die Füße hochgelegt.
    Im Gegensatz zum ersten war dieser Brief am Computer geschrieben. In knappen Worten mahnte der Autor Dr. Kaiser, sich einer Sylvia Morgenstern zu erinnern. Weiterhin empfahl er ihm, sich in seinem Speckmantel aus Versicherungsgeldern nicht zu sicher zu fühlen, denn eine schwache Stelle gebe es immer und er wisse um jeden seiner Schritte. Es folgte ein skurriler Satz über Pflastersteine, die in Wirklichkeit Augen waren, und unerwartete Ereignisse. Die Stelle der Unterschrift nahm ein verballhorntes Bibelzitat ein: Am Anfang war ein Mord. Nicht besonders originell, aber gewichtig.
    Liebermann trank einen Schluck Kaffee und griff zum Telefon.
    Vivian Kaiser klang, als hätte sie einen überdimensionalen Kaugummi im Mund. »David?«
    »Nein. Hauptkommissar Liebermann, wir haben uns gestern kennengelernt.«
    Sie schwieg. Dann fragte sie. »Hat David Ihnen die Briefe gegeben?«
    »Ich sitze gerade darüber. Aber ich bin hängengeblieben. Sagt Ihnen der Name Sylvia Morgenstern etwas?«
    Wieder ließ sie eine Pause einkehren. Liebermann fürchtete schon, dass sie sich in ihre Träume zurückgeflüchtet hätte, als sie murmelte: »Vielleicht eine Patientin von Knut. In dem Fall müsste sie in der Kartei sein. Versuchen Sie es bei meiner Kollegin. Sie hält in der Praxis die Stellung, bis die Dinge geregelt sind.«
    Liebermann ließ sich die Nummer geben. »Danke.« Er zögerte. »Wie geht es Ihnen?«
    Sie gab einen kehligen Ton von sich. »Bestens. Meine Schwiegermutter lässt mir Essen vorbeibringen, und David kommt so oft, wie es seine Dienstpläne zulassen. Er hat sich vom Detektiv zum Conférencier entwickelt, erzählt mir Anekdoten, passt auf, dass ich esse, plant die Übergabe der Praxis, ich hab beinahe das Gefühl, dass …«
    »… er ein schlechtes Gewissen hat?«, schloss Liebermann.
    Vivian Kaiser verschluckte sich. »Warum sollte er?«
    »Nun: Eine Frau hat ihn eingestellt, um ihren Mann zu beschatten, und jetzt ist dieser Mann tot.«
    Ein leises Schmatzen. Vielleicht hatte sie wirklich einen Kaugummi im Mund. Oder sie litt an Speichelfluss.
    »Knut ist nicht mit einer Digitalkamera erschossen worden. Ich meinte, ich glaube, dass David fürchtet, ich könnte mir etwas antun. Meine Mutter hat sich nach der Wende die Pulsadern aufgeschnitten, als ihr Betrieb abgewickelt wurde. Zu der Zeit war ich mit Joseph, seinem Bruder, zusammen, die Sache dürfte also kaum an ihm vorbeigegangen sein. Mir ist sogar, als hätte er versucht, mich zu trösten. Leider hatte er damals ziemlich viele Pickel. Joseph hatte einen Fiat.«
    Liebermann bemühte sich, die neue Information zu verdauen. Ein Bruder, warum nicht. »Wissen Sie noch, wer die Beziehung beendet hat?«
    »Keine Ahnung«, sagte Vivian Kaiser matt. »Ich wahrscheinlich. Was spielt das für eine Rolle?«
    »Und haben Sie noch Kontakt?«
    »Nein. Bei einem Treffen der alten Clique vor ein paar Jahren hat Joseph wieder versucht, mit mir anzubändeln, aber da kannte ich Knut schon. Und davon abgesehen stand ich nicht mehr auf Typen wie Joseph, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Das verstand Liebermann durchaus. Was war ein Fiat gegen einen Arzt?
    »Wissen Sie, als was Joseph heute arbeitet?«
    »Vielleicht. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, sagte Vivian Kaiser und legte auf.
    Liebermann nahm den Hörer vom Ohr und wog ihn einige Sekunden lang in der Hand, ehe er ihn erneut hob. Es dauerte eine Weile, bis David sich meldete. Liebermann fiel mit der Tür ins Haus. »Was ist dein Bruder von Beruf?«
    »Mein Bruder?«
    »Joseph, dein Bruder.«
    »Ich … weiß nicht«, stammelte David. »Wir haben wenig Kontakt miteinander, eine familiäre Geschichte. Das letzte Mal, als ich von ihm gehört habe, war er arbeitslos.«
    »Arbeitsloser ist kein Beruf! Was hat er gelernt?«
    »Landschaftsgärtner. Aber ich weiß wirklich nicht, was Joseph …«
    »Danke«, sagte Liebermann.
    Als er die Tür zum Nebenbüro aufriss, fuhr Simon erschrocken zusammen. Müller führte ungerührt einen Burger zum Mund.
    »Der Bruder von David Kühn ist Gärtner.« Müller schraubte sich zu ihm herum. An seinem Kinn klebte ein Remouladenfleck. »Außerdem war er in seiner Jugend mit Vivian Kaiser

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