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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Geschreis, das er ausgelöst hatte. Aber dann hatte er einmal die Kontrolle verloren und einen winzigen Moment zu früh zugeschlagen. Nur ein paar Sekunden, die ausgereicht hatten, alles zu zerstören, und die ihm noch dazu diesen Deppen auf den Hals gehetzt hatten, der zwar nicht klüger als die anderen, aber hartnäckiger war. Na gut. Er würde auch mit ihm fertig werden, kein Problem. Schade nur um die Zeit.
    Der Schatten glitt zu Boden. Als er dort ankam, zuckte er von einem Geräusch zusammen. Jemand kam den Weg herauf. Als der Schatten aufsah, begegneten seine Augen im Halbdunkel des Buchenlaubes denen eines zweiten. Beide froren in ihren Bewegungen ein. Sie fixierten sich kurz. Der eine war schwarz bis auf eine Stelle im Nacken, die wie eine Kralle aussah, der andere bis auf einige weiße Streifen an den Seiten seiner Schuhe.
    Sie tauschten einen stummen Blick, dann ging jeder seiner Wege.
    Liebermanns Schweigen zerrte an Müllers ohnehin schon strapazierten Nerven. Wo fuhren sie hin? Was tat er hier überhaupt? Um sich irgendwie zu unterhalten, hatte er angefangen, Liebermanns Profil zu studieren. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass die Attraktivität des Hauptkommissars sich in Grenzenhielt. Zwar verfügte er über beneidenswert dichtes Haar, aber sonst war an ihm nicht viel dran. Kaum Muskeln, soweit Müller das beurteilen konnte, keine ausgeprägten Kieferknochen, und die Hände waren schlicht zum Wegrennen. Gerade zogen sie die Handbremse.
    »Warten Sie hier«, sagte Liebermann. »Ich bin gleich wieder da.«
    Wieder passierte eine Weile nichts. Müller zappte genervt durch den Polizeifunk, dann stieg er aus, um eine von Liebermanns Zigaretten zu rauchen, die er aus dessen Jacke geklaut hatte. Wenigstens hatte der Nieselregen aufgehört. Sie parkten am Ende einer Sackgasse. Vorn lag bleiern die Havel, an der sich über die Sackgasse hinweg ein schmaler Uferweg entlangschlängelte, ein kümmerlicher Ausläufer der Promenade. Die Zigarette im Mund, schlenderte Müller in die Richtung, in die Liebermann davongeeilt war, und gelangte nach einigen Metern an ein weißes Gebäude, dessen Eingang von einem Schild flankiert war. Als er es las, stockte ihm für eine Sekunde der Atem. Dann packte ihn kalte Wut.
    »Die Möwe ist mein Ressort! Sie werden sich erinnern, dass die Gegenüberstellung der van Hoefen mit dem Wirt auf meinem Mist gewachsen ist.«
    »Welche Gegenüberstellung?«, fragte Liebermann und stieg ins Auto. Er schnallte sich ruhig an, während der Oberkommissar um Luft rang. Endlich kletterte Müller schwerfällig hinterher.
    Liebermann nahm ein paar Fotografien aus der Tasche und legte sie aufs Armaturenbrett. »Eine Frau auf einem Foto wiederzuerkennen fordert einen stärker heraus, als wenn man sie leibhaftig vor sich hat, Oberkommissar. Ich wollte den Wirt nicht noch durch zwei Polizisten ablenken, die mit verschränkten Armen auf seine Reaktion lauern.« Er warf einen flüchtigen Blick auf Müllers Arme.
    Müller lockerte sie schnaufend. Eine seiner Pranken fuhr in die Tasche, in der er, wie Liebermann inzwischen wusste, seine Magenpillen aufbewahrte, mit der anderen langte er nach den Fotos. Er hielt sie sich vors Gesicht, während die kostbare Medizin in seinen Mund rollte.
    Die beiden ersten zeigten die verschwundene Schülerin, einmal mit Hund in einem Garten und einmal im Profil auf irgendeiner Feier. Das dritte kannte er. Es war ein Foto von Kaiser. Liebermanns Ausrede war Blödsinn. »Und«, fragte er bissig, »konnte der Wirt sich konzentrieren?«
    »Scheint so. Er hat sowohl Fräulein van Hoefen als auch Kaiser wiedererkannt, aber er kann nicht sagen, ob die beiden am letzten Mittwoch bei ihm waren. Da hat eine studentische Aushilfskraft gekellnert, die sonst nur abends kommt. Sein Koch war krank, und er musste selbst an den Herd. Er hat mir die Nummer dieser Hilfskraft gegeben, wir werden also sie fragen müssen. Immerhin geben seine Rechnungen vom Mittwoch mehrere Zandermenüs preis. Wahrscheinlich, weil Zander das Wochenangebot war. Allerdings nicht mit Grießpudding und Waldbeeren, wie es an der Tafel stand.« Er wandte Müller sein Gesicht zu. »Der Wirt wollte sich die Arbeit leichter machen und hat den Grießpudding, den sein Koch sonst selbst kocht, am Mittwoch kurzerhand durch Eis ersetzt, ohne die Beschriftung auf der Angebotstafel zu ändern. Dennoch hatte Kaiser Grießpudding im Magen!«
    Müller starrte trotzig aus dem Fenster in Richtung des Restaurants. »Er

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