Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
Vom Netzwerk:
Atropa Belladonna. Im Volksmund als Tollkirsche bekannt.«
    »Gift?« Liebermann schüttelte den Kopf. Vielleicht in der Hoffnung, abzuwehren, was auf diese unerwartete Nachricht folgen würde. »Könnte es ein Unfall gewesen sein? Selbstmord?«
    Sie zuckte die Achseln. »Theoretisch könnte es alles gewesen sein. Darf ich fortfahren, oder brauchen Sie eine Kur, um sich zu erholen?«
    Liebermann gab ihr ein schwaches Zeichen.
    »Er hat das Zeug etwa vier Stunden vor seinem Tod geschluckt. Und zwar in dieser Form.« Sie verschwand und kehrte Sekunden später mit einer Schale zurück, auf der sich ein paar matschige, schwarze Klümpchen befanden. Liebermanns Magen gab ein warnendes Ziehen von sich. »Es waren mindestens zehn, wahrscheinlich mehr. Und zwar frisch und fruchtig zum Dessert genossen, eingebunden in einen Grießpudding mit Waldbeeren. Der Hauptgang bestand aus Zander mit Gurkensalat und Kartoffeln. Dazu Weißwein, wie es sich gehört.«
    »Alle Achtung«, murmelte Liebermann. »Ich hätte es für Teer gehalten.«
    Dr. Genrich lüpfte die Mundwinkel und stellte das Schälchen zurück, um ein anderes zu holen. »Dann bin ich mal gespannt, wofür Sie das hier halten.«
    Blinzelnd beugte Liebermann sich über die Schale. Als er sah, was sie enthielt, verfinsterte sich seine Miene. »Warum ist der nicht in der KTU?«
    »Weil er ihn an einer Stelle bei sich getragen hat, an denen Bullen normalerweise nicht suchen.«
    »Im After?«, fragte Liebermann angeekelt.
    »So weit hat er es nicht geschafft. Er hing hinter dem Gaumenzäpfchen. Erkennen Sie, was er darstellt?«
    Liebermann atmete tief ein und beugte sich tiefer über das fragile Schmuckstück. »Eine Schlange.«
    Die Pathologin platzierte die Schale auf dem Bauch des Toten und zog ihre Gummihandschuhe aus.
    »Falsch. Eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Das Zeichen der Verbindung zwischen Leben und Tod, der ewigen Erneuerung und der göttlichen Macht, die diesem Kreislauf innewohnt. Nebenbei eines der Zeichen der Hekate.«
    Der Blick, den sie ihm zuwarf, glich dem von Hauptkommissar Otto angesichts der Wasserleiche. Aber diesmal lohnte es nicht, in Ausbildungserinnerungen zu kramen. »Helfen Sie mir!«
    »Meine Güte, hatten Sie früher keinen Kunstunterricht?«, fragte sie verächtlich. »In vorhellenischer Zeit war Hekate eine allmächtige, mütterliche Gottheit, ungefähr so wie bei uns Frau Holle. Dann kamen die Griechen und nahmen ihr die meisten ihrer Pfründe weg, um sie Zeus zu vermachen. Schließlich blieb ihr nur noch der Scheideweg zwischen Leben und Tod, sie mutierte zu einer Hexe. Tja, trauriges Schicksal, aber auch nur eins von vielen.« Sie knüllte die Handschuhe zusammen und warf sie in einen Mülleimer unter dem Tisch.
    Liebermann musste plötzlich lächeln. Ihm war gerade jemand eingefallen, der den Scheideweg zwischen Leben und Tod verkörperte wie keine andere. Er wies auf die matschigen Beeren.
    »Pflanzengift und der Ring der Hekate. Es scheint, als hätte sich hier jemand aus dem Fundus der dunklen Magie bedient.«
    »Wohl eher aus dem Fundus des Zufalls«, brummte Dr. Genrich. »Tollkirschen sind leicht zu bekommen, wenn man weiß, wo man suchen muss. Ebenso Schmuckstücke wie dieses.« Sie stellte die Schale mit dem Ring auf den Instrumententisch zurück. »Mystische Dekoration, die jeder Straßenhändler vertreibt, weil es genug Idioten gibt, die sie kaufen. Warum? Keine Ahnung, vielleicht weil es ihnen an Geheimnissen fehlt. Oder weil sie noch nicht begriffen haben, dass das Mittelalter vorbei ist.«
    »Oder weil sie es wieder heraufbeschwören wollen«, entgegnete Liebermann behutsam. »Erst vor wenigen Stunden habe ich jemanden getroffen, der unweit der Fundstelle von Kaiser dunkle Machenschaften zwischen einigen ansässigen Mädchen und einem Wolf vermutet.«
    Dr. Genrich schob sich die Brille zurecht. »Ein Irrer oder ein Mediävist?«
    »Weder noch. Ein Stadtführer, der eine mehrheitliche Meinung vertritt, und zwar die meines Wohnviertels.«
    »Himmel. Wo wohnen Sie denn?« Kaum war sie heraus, ärgerteFranziska sich über die Frage. Es interessierte sie nicht im mindesten, wo der Neue wohnte. Aber manchmal ging ihr Mund seine eigenen Wege. Als der Name des Viertels fiel, schloss sie kurz die Augen.
    »Seit einigen Wochen«, fuhr Liebermann fort, »existiert bei uns eine Institution, die sich Seminarhaus Aphrodite nennt.«
    Sie öffnete die Augen wieder. »Ah ja, der Edelpuff. Hab davon gelesen.«
    »Meines Wissens

Weitere Kostenlose Bücher