Katzenmond
anderen an sich tragen, die Dinge fanden ihre Ordnung, das Ritual ein Ende. Die Fraugriff eine Kiste, Maja schlüpfte zwischen den Obststiegen hindurch zu ihrem Fenster.
Noch bevor ihre Augen sich auf das Dämmerlicht des Kellers eingestellt hatten, bemerkte sie den Schatten, der sich aus der Nische neben dem Konservenregal löste. Gleichgültig strich sie an ihm vorbei. »Ich hab mich an deiner Stelle von Krümels Jungen verprügeln lassen«, knurrte sie. »Jetzt hab ich Hunger.«
Serrano folgte ihr zum Futternapf. »Du warst beim Zweiradhändler?«
»Einer musste ja nachsehen. Übrigens sind es zwei, der Händler hat sie einer anderen als Kuckuckseier untergeschoben.«
Serrano schwieg eine Weile, dann sagte er. »Ich habe auch etwas zu berichten.«
»Leg los! Es sei denn, es handelt sich um Schnecken.«
Schnecken? Doch gleich darauf fiel es Serrano ein: Schnecken, eingeweicht in Milch oder Wasser, waren eine Spezialität von Majas derzeitigem Gefährten Streuner. »Nein, um Kater.«
»Auch nicht viel besser«, entgegnete Maja und begann zu fressen. Ihr Napf war bis zum Rand mit Thunfisch gefüllt. Es hatte Serrano wenig Disziplin gekostet, ihn unangetastet zu lassen. Die Abneigung gegen Fisch war ein Erbteil seiner Mutter.
Während Maja aß, berichtete er ihr von seinem Ausflug mit Cäsar zum Katzenhaus. Sie hörte zu, ohne ihre Mahlzeit zu unterbrechen. Erst als er das abgebissene Ohr erwähnte, hob sie den Kopf.
»Ein ganzes Ohr? Du hast recht, das klingt nach Hund.« Sie leckte ihren Napf aus und ging zur Bartreinigung über.
Serrano fühlte sich seltsam berührt. Es war beinahe wie in den alten Zeiten, als sie noch ein Paar gewesen waren. Im Übrigen das einzige feste Paar der Gegend. Nicht, dass es nicht auch andere Katzen für ihn gegeben hätte, aber letztlich war er immer wieder auf Maja zurückgekommen, die kluge Dicke mit der spitzen Zunge, die ihm ihrerseits treu geblieben war, bis er sie wegenAurelia hatte fallenlassen. Hastig schüttelte Serrano die Erinnerung ab und wandte sich der Ausbeute des Tages zu. Er fand sie als heilloses Durcheinander aus zerfetzten Katern, Kastanien, greinenden Jungen, Fliegenmaden und Krümels starrer Leiche in der blauen Tüte. Unmöglich, in dem Wust eine Linie auszumachen. Serrano begann zu sortieren. Die madenbesiedelte Krümel und ihre Jungen mitsamt den blauen Tüten in ihrer neuen Heimstatt legte er auf eine Seite, die Kastanien mit den geschundenen Katern auf die andere. Heraus kamen zwei Tragödien, die nichts miteinander gemein zu haben schienen, bis auf eines: die Nähe zum südwestlichen Parkende. Hier eine von Menschenhand bestattete tote Katze ohne Wunden, dort vier lebende, wenngleich schwerverwundete Kater vor einem Garten, der einen Hund und ein paar Katzen beherbergte.
Andererseits musste der Fakt, dass eine Verbindung der beiden Fälle bislang unsichtbar war, nicht unbedingt bedeuten, dass es keine gab. Er beobachtete Maja beim Entgraten ihrer Krallen. Dabei dachte er daran, dass er die verlockenden Neuzugänge, von denen alle redeten und die schon vier Opfer gefordert hatten, selbst noch nie gesehen hatte.
Maja beendete ihre Prozedur und schlenderte zu ihrem Lager hinüber. Mit den Hinterläufen scharrte sie Handschuhe beiseite, bis eine Mulde entstand. An Serranos Ohr pfiff ein gelber Fingerling vorbei. »Es sind drei«, sagte Maja, als sie fertig war. Serrano warf den Fingerling zurück und deutete auf das wollige Meer.
»Das sind mindestens hundert. Hundert Menschen, die sich fragen, wo ihre Handschuhe abgeblieben sind.«
»Dein Humor war auch schon saftiger. Ich meine, es sind ihrer drei dort im Katzenhaus.«
Serrano hockte sich neben sie. »Woher weißt du das?«
Maja blinzelte träge. »Der Zweiradladen war nur eine Station auf meinem Weg heute, wie du dir denken kannst. Die restlichengalten der Warnung vor dem Gift. Cäsar hat die Kater übernommen, ich die Katzen. Es gibt übrigens keine weiteren Unfälle bisher. Und nach unserem Einsatz wird es auch keine mehr geben.«
»Krümels Tod war kein Unfall«, warf Serrano ein.
»Krümels Tod ist eine andere Sache. Mach mich nicht wuschig, indem du von einem Thema zum nächsten springst! Wir waren gerade beim Katzenhaus!«
»Gut«, sagte Serrano folgsam. In letzter Zeit wies Maja zunehmend Züge von Bismarck auf.
»Also«, fuhr sie fort, »auf meiner Runde war ich auch bei Trudi, einer Nachbarin des Katzenhauses. Sie ist trächtig, blöd, wie sie ist, hat sie sich Oktoberjunge
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