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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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tänzelte Dienstag hinter ihr drein. Die Tür fiel zu.
    Als Liebermann sie wenig später aufschob, fand er Nico im Bett, mit dem Gesicht zur Wand. Auf dem Gipfel ihrer Hüfte thronte der Kater.
    »He!«
    Ein Rascheln, es konnte ein Schniefen sein oder leises Lachen oder auch nur die Bettdecke. Er überlegte, ob er sich zu ihr setzen sollte, zögerte aber, als Dienstag sich fauchend krümmte.
    »Hab ich etwas falsch gemacht?«
    Erneut das Geräusch. »Du hast überhaupt nichts gemacht.«
    »Gut«, sagte Liebermann verwirrt. »Ich recherchiere noch kurz etwas, dann komme ich.«
    Keine Antwort.
    Zwei Stunden später lehnte Liebermann sich zurück, um seinen Rücken zu entspannen.
    Dank einiger Artikel und einer Magisterarbeit, die eine freundliche Dame – vermutlich für Leute wie ihn – ins Internet gestellthatte, drängten sich auf seinem Block in Miniaturschrift sämtliche Verwendungsmöglichkeiten von Atropa Belladonna. Darunter einige recht originelle. Zum Beispiel war Liebermann überrascht gewesen zu erfahren, dass Frauen sich den Beerensaft jahrhundertelang in die Augen geträufelt hatten, um ihre männlichen Gefährten mit künstlich geweiteten Pupillen zu beeindrucken. Jene wiederum waren irgendwann auf die Idee gekommen, sich die Beeren selbst unter die Zunge zu legen, bevor sie auf die Jagd zogen, um die Sinne zu schärfen und den Mut zu stärken. Allerdings handelte es sich dabei nicht um zehn, wie bei Kaiser, sondern höchstens zwei. Bei höherer Dosis bestand die Gefahr, dass der Mut in Euphorie ausartete, die noch dazu von dem Jägerglück nicht sonderlich förderlichen Halluzinationen begleitet wurde.
    Im Grunde, dachte Liebermann, ähnelten Tollkirschen dem Alkohol. Beide berauschten und bescherten dem Konsumenten anschließend ein lästiges Durstgefühl. Nur war die Wirkung bei Alkohol in jeder Hinsicht ungleich milder, weshalb er das Ringen um die menschliche Gunst am Ende gewonnen hatte. Alkohol war zum weltweiten Genussmittel avanciert, Belladonna zum Gift, das nur noch in der Medizin Anwendung fand. Denn nach zehn Doppelten fällt der gesunde Mann vom Stuhl, um am nächsten Morgen mit pelziger Zunge und ausgewachsenem Kater zu erwachen. Nach zehn der winzigen Kirschen hingegen bleibt er liegen.
    Liebermann ging eine Runde durch die stille Wohnung. Selbst Dienstag hielt das Maul. Es zog ihn zu Nico. Dennoch kehrte er noch einmal zum Computer zurück und gab »Vergiftung, Tollkirschen, Verlauf« ein. Eine Sekunde später war der Bildschirm mit Links gepflastert. Gewohnheitsmäßig klickte Liebermann den ersten an und landete auf einer Apothekerseite. Das Kinn in eine Hand gestützt, begann er zu lesen.
    Mit dem Mitternachtsgeläut der Erlöserkirche endlich klappteer den Laptop zu. Sein Block war voll, und sein Rücken stand am Vorabend der Revolution: Zeit für eine Zigarette.
    Als die erste Rauchfahne über die Balkonbrüstung Richtung Stadtzentrum schwebte, sah Liebermann undeutlich einen Schatten über die Straße huschen und im Vorgarten verschwinden. Serrano kehrte von einer späten Wanderung zurück. Zwei Männer, unterwegs in nächtlichen Geschäften, dachte Liebermann und fragte sich, welcher Art die des Katers wohl sein mochten.
    Er fand Nico in derselben Haltung wie vorher, mit dem Gesicht zur Wand, am entgegengesetzten Bettrand. Da sie normalerweise viel Platz beanspruchte, musste dieser plötzlichen Bescheidenheit eine Botschaft innewohnen.
    Liebermann durchsuchte sein Verhalten vor ihrem Rückzug nach einem Fauxpas, erinnerte sich aber nur eines ziemlich langweiligen Filmanfangs. Leise rief er ihren Namen. Nichts.
    Dafür kreischte etwas unter ihm. Im nächsten Augenblick zuckte ein stechender Hagel über sein Gesicht, materialisierte sich in einem schwarzen Klumpen und schoss aus dem Raum.
    Liebermann betastete fluchend seine Wange. Dieses Ungeheuer! Wie kam es dazu, sich seinen Platz anzueignen?
    Drei Etagen unter ihm rollte sich Serrano in Bismarcks Kinderwagen zusammen und dachte an den Dreigekochten. Nach dem Abschied von Trudi war er, vorsichtig und in gebührendem Abstand, am Tor des Katzenhauses vorbeigestrichen. Keine Kater diese Nacht, offenbar hatte Cäsar seine Order bereits ausgegeben. Vielleicht deshalb hatte sich auch der Dreigekochte ruhig verhalten. Nur jenseits der Straße, ungefähr auf Höhe des Parkeingangs, hatte er einmal etwas wie Bewegungen wahrgenommen. Ohne sichtbaren Urheber allerdings, wie Serrano festgestellt hatte, als er ihnen nachgegangen war.
    Seine

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