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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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aufzutauchen. Vor dem Fahrradladen verabschiedete Laura sich von ihm.
    Der Kater zögerte kurz, als überlege er, mitzukommen. Dann rannte er weiter die Geschwister-Scholl-Straße hinauf.
    Als Laura den Laden betrat, war ihr Blinzeln weniger der Höflichkeit als dem Ringen um Orientierung geschuldet. Timmi hatte sich erfolgreich bemüht, jedem Lichteinfall durchs Schaufenster mit aneinandergequetschten Rädern zu begegnen. Während sie sich um einen Stapel Kindersitze schlängelte, hielt Laura nach ihm Ausschau. Vergeblich. Sie wartete eine Weile, dann rief sie schüchtern: »Hallo?«
    Timmi ließ sich Zeit, was den Gedanken nahelegte, dass ihm mehr an Rädern als an Kunden lag. Na ja, oder es fehlte ihm noch an Geschäftsroutine. Laut Jürgen hatte er bis vor kurzem Efeu auf einem Friedhof beschnitten. Laura überlegte, ob sie noch einmal rufen sollte, da hörte sie aus einem Nebenraum leises Piepsen. Kurz darauf polterte Timmi herein. Er warf einen Schwung Reifen auf den Boden und grinste finster. »Willst du deine Tüten wiederhaben?«
    »Nein. Ich komme wegen Davids Sattel.«
    »Ach so.« Er verschwand unter seinem Tresen.
    »Vorsicht, ich hab ihn eingefettet«, sagte er, als er wieder auftauchte. »David soll ihn noch mal wienern, sonst versaut er sich die Hose.«
    »Gut.« Laura streckte die Hände nach dem Sattel aus, einem glänzenden ledernen Relikt aus den Fünfzigern oder Sechzigern. »Hast du was zum Einpacken?«
    Abermals tauchte Timmi ab und klatschte kurz darauf eine Tüte auf den Tresen. »Na?«, fragte er lächelnd.
    »Die sind hübscher geworden, als ich erwartet hätte«, bestätigte Laura.
    Timmi schob den Sattel in die Tüte. »Hab ’nen guten Printshop. Alte Seilschaften. Willst du einen Schwung? Er steht dir zu.«
    »Mir reicht die hier. Was kriegst du für den Sattel?«
    »Geschenkt.« Er stützte sich breit auf seinen Tresen. »Aber falls David noch ein paar von diesen alten Nabenschaltungen auftreiben kann, soll er sie vorbeibringen. Oder DDR-Kindersättel, die gehen weg wie warme Semmeln. Im Gegenzug hätte ich für ihn eine Bosch-Lampe, Chrom, samt Rückstrahler.«
    »Mach ich«, murmelte Laura, überzeugt, sich das nie im Leben merken zu können. Bosch-Lampen, Kindersättel … David schien insgeheim noch einen vierten Job zu haben. Sie nahm widerstrebend die Tüte entgegen. Es war albern, gewiss, zumal sie selbst das Logo entworfen hatte, aber als Designerin entwickelte man einen gewissen ästhetischen Anspruch. Und das Blau des Plastikbeutels biss sich nun mal mit ihrem violetten Oberteil.
    Serrano schlüpfte hinter eine Kastanie, um sich vor zwei menschlichen Weibchen zu verbergen, die mit Taschen behängt durch das Tor kamen. Kaum waren sie verschwunden, folgten weitere. Und dann noch eine Einzelne, die leise in die Luft sprach, während sie eine Hand ans Ohr gepresst hielt. Eine sporadische Macke der Menschen, Serrano hatte sie schon häufiger bemerkt, ohne bisher herausgefunden zu haben, wodurch sie ausgelöst wurde.
    Er wartete, bis die Luftsprecherin außer Sichtweite war, und glitt durch den Zaun. Auf Trudis Behauptung vertrauend, der Dreigekochte würde seine Tage in einem Schuppen verbringen, schlich er an Hortensien und einer steinernen Figur vorbei, bis der schmale Kiesweg zu seiner Rechten abbog. Vor ihm öffnete sich eine Rasenfläche mit einer flachen Erhebung in der Mitte. Den Bauch an den Boden gepresst, huschte Serrano zu ihr hinüber.
    Es war ein Brunnen, wenn auch ein stillgelegter. Von seinem Rand aus war der Blick über den Garten noch umfassender. Zunächst beeindruckte Serrano seine Ausdehnung, die in etwa dervon Krümels Geburtsgarten glich, aber seiner übersichtlichen Gestaltung wegen größer wirkte. Warum hatte er dieses Idyll noch nie entdeckt? Das war das Kreuz mit den Grenzgebieten. Man stritt um sie, und dann überließ man sie sich selbst, den Grenzkatzen, dem Grenzwertigen, und verschanzte sich im Zentrum. Wen kümmerte eine Kralle, wenn er sich um ein Herz kümmern musste.
    Etwa zehn Sprünge von Serrano entfernt schob sich eine Baumgruppe halb über die Wiese. Es deuchte ihn, dass dahinter der Rasen weniger akribisch gestutzt war. Im Schatten einiger Nadelbäume erspähte er das von Trudi erwähnte Gartenhaus. Und irgendwo in dieser weltfremden Landschaft steckten die Perserinnen. Ein beunruhigender Gedanke flog ihm durch den Kopf. Vielleicht hatten sie ihn längst entdeckt und sorgten in dieser Sekunde für die Freilassung des Dreigekochten, damit

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