Katzenmond
hatte. Das Messer in der Hand, neigte sie sich noch einmal über die unauffällige Randnotiz in der Zeitung. Donnerstag, also vorgestern. Vorgestern? Ihre Wangen begannen plötzlich zu brennen.
Sie erinnerte sich, wie verstört David vorgestern nach Hause gekommen war, nur um gleich darauf wieder zu verschwinden. Nach seiner Rückkehr hatte er sich kommentarlos in sein Zimmer zurückgezogen, um zu telefonieren. Erst mit einer Nummer, die er häufiger anrief, dann mit einer gewissen Constanze und wieder mit der ersten. Sie hatte es gestern mit der Wahlwiederholung überprüft und sich danach so geschämt, dass sie sofort auf den Boden gegangen war, um Davids Wäsche abzunehmen und zu bügeln.
Seine Dankbarkeit hatte sie gedemütigt. Seine Umarmung noch mehr, obwohl sie seit Wochen davon geträumt hatte. Und dabei endlich das Eingeständnis: »Es ist was passiert.«
Irgendwie hatte sie es geahnt. Und jetzt wusste sie also auch den Namen: Knut Kaiser, ansässiger Internist. Als sie den Kopf hob, blickte sie in Davids Augen.
»Ansässiger Internist«, murmelte sie. »Klingt komisch, wie aufsässiger Internist.«
»Die werden unterbezahlt bei den Zeitungen«, sagte David. »Steht sonst noch was dort?«
»Nichts, was du nicht schon wüsstest. Nähere Umstände noch ungeklärt … Aufruf an Zeugen, die den Toten zwischen Mittwochnachmittag und Donnerstag früh in der Nähe der Havel gesehen oder eine Brille gefunden haben … Hier ist ein Bild.« Sie reichte ihm die Seite hinüber.
David überflog sie mit gerunzelter Stirn, gab sie ihr zurück und stand auf. »Ich muss los. Jürgen wartet auf mich, ich hab ihm versprochen, Estrellas Wochenenddienst zu übernehmen.«
Lauras Hochstimmung verflog vollends. »Soll das jetzt ein Dauerjob werden? Du hast doch schon zwei. Neben deiner Doktorarbeit«, fügte sie spitz hinzu.
David zuckte die Achseln. »Ich verbuche es als Recherche. Im Katinka kommt allerhand Volk zusammen, wie gemacht für Feldstudien zur Gentrifizierung.« Er lächelte schmal. »Außerdem freut mein Konto sich über jeden Zuwachs, zumal einer meiner Jobs ja offensichtlich gerade beendet wurde. Die Mieten hier sind, wie sie sind, selbst wenn man sie sich mit charmanten jungen Frauen teilt.«
»Entschuldige.«
»Ist ja nicht deine Schuld. Vielleicht hast du Lust, nachher auf einen Kaffee im Katinka vorbeizuschauen?«
»Warum nicht?« Lauras Stimmungswimpel hob sich augenblicklich. »Übrigens finde ich, dass du mal mit Liebermann reden solltest.«
David hob die Brauen. »Worüber?«
»Über diesen Internisten. Versteh mich nicht falsch, aber ich hab den Eindruck, dass die Polizei im Nebel tappt, in der Zeitung wird jedenfalls nichts von einer Affäre erwähnt. Und jetzt, wo der Mann tot ist, nützt deine Diskretion ihm doch ohnehin nicht mehr. Also falls er etwas mit einem der Mädchen an der Schule hatte, finde ich, dass die Polizei es erfahren sollte. Und Liebermann ist Polizist.« Laura machte eine Pause. »Davon abgesehen,will deine Klientin sicher auch wissen, wie ihr Mann gestorben ist.«
Davids Miene verfinsterte sich, und einen Augenblick lang fürchtete Laura, dass er sich umdrehen und einfach gehen würde. Aber er starrte nur eine Weile vor sich hin. Dann sagte er: »Ich denk drüber nach.«
Eine Viertelstunde nachdem er gegangen war, klingelte das Telefon.
»Ich bin’s, Timmi. Sag David, er kann sich seinen Sattel abholen.«
»David ist nicht da.«
»Ich sag’s bloß. Ich bin bis zwölf im Laden, ansonsten nächste Woche.«
»Okay.«
Als sie auflegte, dachte Laura, dass Timmis Anruf zu keiner besseren Zeit hätte kommen können. Er bot ihr eine exzellente Möglichkeit, ihren Schnitzer mit dem Job im Katinka wieder auszubügeln. Sie räumte den Tisch ab, goss die Blumen und machte sich auf den Weg.
Unterwegs traf sie Serrano. Die beiden grüßten sich, indem sie sich wie zufällig anblinzelten und ihr Tempo beibehielten. Erst vor ein paar Tagen hatte David Laura erzählt, dass Katzen mit den Augen lächelten, indem sie sie zusammenkniffen. In der Annahme, er wolle sie veralbern, hatte sie ihn gefragt, woher er das wisse. Er hatte grinsend auf die Zucht seiner Eltern verwiesen.
»Und Hunde?«
»Wedeln.«
Laura war froh, dass sie einen Kater getroffen hatte. Offenbar war Serrano in derselben Richtung wie sie unterwegs. Aber im Gegensatz zu ihr hielt er sich dabei an die Vorgärten. Zwischendurch verschwand er zwischen Büschen, um plötzlich einigeMeter vor ihr wieder
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