Katzenmond
er den Eindringling vertrieb.
Serranos Augen schwirrten auf die Seite des Gartens, an der Trudi den Schuppen gezeichnet hatte. Da war er, nahezu unsichtbar hinter einer Wand aus buntem Wein und Friedhofskraut.
Er verließ den Brunnen, der ihm plötzlich wie ein überdimensionaler Futternapf vorkam, und rannte über den Rasen auf eine Treppe zu. Mit dem kühlen Stein unter den Ballen fühlte Serrano sich sicherer. Er nahm auch die restlichen Stufen und gelangte auf eine Terrasse. Von hier aus würde es nur eine Sekunde kosten, erst auf die Brüstung und dann auf eines der unteren Fensterbretter zu springen, eine kaum nennenswerte Anstrengung für ihn – unmöglich für den Dreigekochten.
Einigermaßen beruhigt setzte Serrano sich, um die Möblierung der Terrasse in Augenschein zu nehmen. Sie war gediegen: ein gepolstertes Korbsofa, zwei runde Tische, eine Bank, ein Sessel mit einem roten Kissen, darauf ein magerer Körper und ein Kopf mit zwei eisigen Augen. Er blinzelte. Blaue Augen kannte er nur von Jungen und Menschen.
»Wenn du nicht aufhörst zu starren, hetze ich den Hund auf dich.«
Bei der Erwähnung des Dreigekochten fuhr Serranos Schwanz unwillkürlich in die Höhe.
Die blauäugige Katze verzog das Maul. »Gebärdet sich so ein ehemaliger Princeps? Oder sind euch Unhöflichkeit und Feigheit in dieser Gegend angeboren? Dann hab ich nichts gesagt.«
Sie begann sich den Latz zu lecken, als hätte sie wirklich nichts gesagt und als gäbe es weit und breit keinen vor Verblüffung erstarrten Kater.
Nachdem er seinen Schrecken überwunden hatte, dachte Serrano, dass die Dürre dort Maja in nichts nachstand, was das Einholen von Informationen anging. Außerdem gab er Trudi recht: Sie war hässlich. Über ihre Knochen spannte sich sandiges, kurzes Fell, das im Zentrum ihres mageren Gesichts und an den Ohren schmutzig wurde. Riesige Ohren, Fledermausohren. Er konnte sich nicht erinnern, je etwas so Abstoßendes gesehen zu haben.
»Was willst du hier?«, fragte die Dürre, ohne ihre Kosmetik zu unterbrechen.
»Ich habe Fragen wegen eures Hundes.«
Sie sah auf. »Esteban?«
»Möglich. Wie es scheint, hat er vier Kater aus dem Viertel brutal angegriffen und verletzt. Und einen aus dem Nachbarrevier«, setzte er der Vollständigkeit halber hinzu.
»Unsinn«, sagte sie. »Die Frauen lassen ihn nicht allein aus dem Garten.«
»Er könnte über den Zaun gesprungen sein.«
Die Dürre ließ ihren Latz im Stich und richtete sich auf. Trotz ihres unappetitlichen Körperbaus wirkte sie plötzlich erhaben. Sie war kleiner als Serrano, aber ihre Haltung war die einer Herrin, und in ihrem Blick lag der herablassende Spott einer, die esgewohnt war, Anweisungen zu geben, und Widerspruch nur duldete, wenn er sie amüsierte.
»Warum sollte Esteban so etwas Geistloses tun?«, fragte sie, sichtlich amüsiert.
»Weil er Appetit auf Kater hat zum Beispiel. Weil er ein Jäger ist.«
Sie tat, als ließe sie sich das Argument durch den Kopf gehen. »Ein Jäger wie du und ich. Aber im Gegensatz zu uns findet Esteban Vergnügen am Gehorchen. Und seine Anweisung lautet, den Garten nicht zu verlassen.«
»Die Fakten sprechen dagegen.«
»Welche Fakten? Ich hörte davon, dass Kater sich mit Begeisterung gegenseitig zerfetzen, wenn es um das Besteigen eines Weibchens geht.«
Ein Geräusch ließ sie gleichzeitig die Köpfe wenden. Auf der Balustrade tauchte ein goldbraunes Wesen ohne erkennbares Profil auf, dafür mit einem Fell, das selbst Serrano Bewunderung abrang. Die Dürre lächelte ihm entgegen. »Wo sind die anderen?«
»Im Pavillon.« Die Perserin setzte sich, den Blick fragend auf ihre Herrin gerichtet.
»Das ist Serrano, der ehemalige Vorsteher des Viertels«, stellte die Dürre vor.
Zwei runde Augen in einem Gesicht, so platt wie ein Unterteller richteten sich auf ihn.
»Und hier haben wir Dahlia, meine gute Freundin und Mutter zweier Geschöpfe, die ihr in Anmut und Charakter in nichts nachstehen.«
»Ich habe von ihnen gehört«, sagte Serrano.
»Sicher, du bist ihretwegen hier. Lass!«, sagte sie scharf, als Dahlias weicher Rücken sich krümmte. »Er ist nicht deshalb hier, sondern wegen der Kater, die sich euretwegen fast umgebracht haben.«
»Nein«, sagte Serrano ebenso scharf. »Jemand anderes hat sie fast umgebracht.«
»Ach ja, er meint Esteban.«
»Esteban?« Die beiden Damen wechselten einen Blick und begannen gleichzeitig zu grinsen.
Angesichts so geballter Arroganz schwoll Serrano der Kamm.
Weitere Kostenlose Bücher