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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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Dosierung etwa zehn bis zwölf Stunden benötigen, um einen ausgewachsenen Mann ins Jenseits zu befördern, muss die eigentliche Tat demnach um die Mittagszeit stattgefunden haben. Von da an, so meine Theorie, hat der Mörder den Sterbenden irgendwo in der Nähe der Fundstelle verwahrt. Wie ich darauf komme, wird sich jeder von Ihnen nach einer kurzen Phase der Nachdenklichkeit selbst beantworten können. Wenn nicht, erkläre ich es ihm später, wenn Oberkommissar Müller und ich von der Witwe zurück sind. Simon, vielleicht wären Sie so gut, gegen ein Uhr etwas Kaffee bereitzustellen?«
    Draußen im Gang rumorte die Putzfrau mit ihrem Staubsauger. Sie war wütend wegen der Sonderschicht, das war wohl klar, da brauchte keiner Rücksicht erwarten. Da konnte man den Bullen,die erst um acht oder neun hier antanzten und dann selbstgefällig über ihren Akten hockten, schon ruhig mal auf den Wecker fallen. Hätte sie gewusst, dass sie den Bullen in der Teeküche mit ihrem Lärm einen Gefallen tat, hätte sie ihn vermutlich abgestellt.
    Nach einer Weile, die wegen des Staubsaugers wenigstens nicht ganz lautlos verstrichen war, räusperte sich Simon. »Und was soll ich davor tun?«
    »Davor gehen Sie zum Hotel im Persiusspeicher und finden heraus, wer während der letzten Woche dort eingemietet war und ob einer der Gäste am Mittwoch männlichen Besuch hatte, womöglich einen etwas verhaltensauffälligen.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte der höchstens durch seine Freundlichkeit auffällige Simon.
    »Einen, der betrunken oder bekifft wirkte, nervös, gesundheitlich angeschlagen oder sonst wie neben der Spur. Belladonna wirkt in jedem Stadium unterschiedlich. Man lacht, weint, schreit herum, und, ach ja – man leidet unter Durst. Fragen Sie, ob jemand ab Mittag Getränke auf sein Zimmer bestellt hat. Und wenn Sie damit fertig sind, studieren Sie die Karte des Hotelrestaurants. Was uns interessiert, sind Fischgerichte, speziell Zander und Grieß mit Waldbeeren.« Liebermann wartete, bis Simon Stift und Block zusammengesucht hatte. »Für den Fall, dass Sie im Restaurant fündig werden«, fuhr er fort, »erkundigen Sie sich, wer am Mittwoch Zander bestellt hat und in wessen Begleitung derjenige oder diejenigen waren. Und wieder: ob es irgendwelche Auffälligkeiten gab.«
    »Die Frage ist, ob der Kellner sich daran erinnert«, gab Simon zu bedenken.
    »Er wird«, sagte Liebermann. »Bei Kellnern verhält es sich in der Regel wie bei Lehrern: Die Auffälligen bleiben hängen.«
    Simon klappte seinen Notizblock zu. Ein letztes Mal schöpfte Liebermann Trost aus seinem Jungengesicht, ehe er sich an Müllerwandte. »Und wir beide setzen jetzt unsere Füße in die neue Ära.«
    Er hatte es ernst gemeint. Der letzte Satz in der Teeküche beinhaltete eine doppelte Einladung an den Oberkommissar: die, Frieden zu schließen, und die zu einem gemeinsamen Spaziergang in die Allee nach Sanssouci. Als er sie aussprach, drehte Müller sich zu ihm um. Somit war praktisch jedes seiner Ohren in der Lage, eine der Einladungen aufzunehmen. Offenbar war jedoch mit Müllers Ohren etwas nicht in Ordnung, denn als sie aus dem Gebäude traten, strebte er einem parkenden Dienstwagen zu.
    Liebermann blieb stehen, während Müller gleichmütig einstieg, den Schlüssel ins Zündschloss schob und die Arme auf das Lenkrad legte. Als Liebermann keine Anstalten machte, sich zu ihm zu gesellen, zuckte er die Achseln und ließ den Motor an. Liebermann rannte zu ihm und riss die Beifahrertür auf. »Uns bleibt noch über eine halbe Stunde. Genug Zeit, um zu laufen.«
    Müller machte den Motor wieder aus. »Wozu?«
    »Ich möchte Sie in Ruhe mit der Situation bekannt machen.«
    »Nichts hindert Sie daran.«
    Liebermann schüttelte den Kopf. »Beim Laufen kann ich besser denken, und das ist die Voraussetzung fürs Reden.«
    »Wenn das so ist, hätten Sie in Berlin bleiben sollen«, sagte Müller sarkastisch. »Bei uns ist es nötig, auch im Sitzen denken zu können.«
    Vorsichtig nahm Liebermann die Hand vom Türgriff. So also sah er aus, der erste Angriff des Gedemütigten. Er zuckte die Achseln und ging los. Als Müller ihn an der nächsten Kreuzung überholte, lächelte er. Lauf, genieß deinen Vorsprung! Spätestens eine halbe Stunde später würde er sich ganz von selbst wieder ausgleichen.David öffnete ihm grimmig die Tür.
    »Die Rede war nicht davon, dass du einen halb verhungerten Goten vorschickst.«
    »Gib ihm was zu essen«, sagte Liebermann und

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