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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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noch ein etwa fünfzig Zentimeter großer Engel aus Sandstein eingenommen.

12
    Nach einem geruhsamen Sonntag, den er mit Nico und den Mädchen kletternd und Spinnen zählend auf einer alten Obstplantage verbracht hatte, machte Liebermann sich am Montagmorgen mit gemischten Gefühlen auf den Weg zum LKA. Unterwegs stellte er abergläubische Rechnungen an: Sollte er zuerst auf Simon treffen, durfte er auf eine leidliche erste Woche hoffen. War es Müller, gab es immerhin noch den Feierabend, auf den er hoffen konnte. Im unwahrscheinlichen Fall hingegen, dass er die Räume der Mordkommission als Erster betrat, winkte ihm eine goldene Zukunft. Liebermanns dilettantisches Horoskop variierte unterwegs und verlor, als er im Flur über eine Putzfrau stolperte, den letzten Rest von Bedeutung. Sie erklärte ihm mürrisch, dass sie heute den Dienst ihrer Kollegin übernommen habe.
    Erst der Zweite war Müller. Oder Simon. Das ließ sich nicht genau sagen, weil sie zusammen in der offenen Teeküche saßen und Fotos betrachteten.
    Bei Liebermanns Anblick sprang Simon auf. Müller schickte ihm einen stumpfen Blick und schob die Fotos bedächtig zusammen.
    »Jana – Kommissarin Holzmann – hat uns die Bilder von Hauptkommissar Ottos Ausstand überlassen«, sprudelte Simon. »Furchtbar, sie hat kaum jemanden ganz getroffen. Immer fehlt etwas, bei mir meistens der Kopf.«
    »Vielleicht kann sie die fehlenden Stücke noch nachliefern«, sagte Liebermann, erleichtert über die Mitteilungsfreude des anderen. Mit Simon würde er auskommen, kopflos oder nicht.
    »Dann schon eher Rudi. Das ist unser Fotograf, er war auch beim Ausstand. Wollen wir uns besprechen?«
    Liebermann hob die Brauen.
    »Dienstberatung«, erklärte Simon. »Wir haben auf Sie gewartet. Ich könnte Jana holen, dann wären wir komplett.«
    »Warum nicht.«
    Nachdem Simon aus dem Raum galoppiert war, trat Liebermann zu Müller. Er gab sich Mühe, Entschlossenheit in seinen Schritt zu legen. »Guten Morgen.«
    Der Oberkommissar hob das oberste Foto vom Stapel und hielt es ihm hin. Es zeigte seinen ehemaligen Chef neben einem Rasenmäher. Otto wirkte ein wenig unglücklich, was kaum an dem Mäher liegen konnte, denn der sah, soweit Liebermann es einschätzen konnte, solide aus. »Eine Ära ist vorbei.«
    »Das ist normal«, sagte Liebermann. Der Blick, den Müller ihm daraufhin zuwarf, gab ihm das Gefühl, etwas hinzufügen zu müssen. »Abschiede sind immer traurig. Dennoch würden wir ohne sie auf der Stelle treten.«
    Müller verzog den Mund. »Finden Sie, dass Ottos Abschied mich irgendwie weitergebracht hätte?«
    »Das kann man nie wissen«, murmelte Liebermann und wandte sich hastig der jungen Kommissarin zu, die eben in Simons Begleitung die Teeküche betrat. Sie zog einen froschgrünen Pullover zurecht, bei dem nicht zu erkennen war, wo die Ärmel ansetzten und das Mittelstück aufhörte, dann streckte sie ihm die Hand entgegen. »Guten Morgen, Hauptkommissar willkommen in der Anstalt. Wollen wir in den Tagungsraum überwechseln?«
    Jemand, der sich mit Abschieden nicht so schwertat, dachte Liebermann.
    »Jetzt nicht.«
    Sie blickte zu Simon, der den Kopf schüttelte. Von Müller kam ihr auch keine Hilfe, er war aufgestanden und spülte Teller. »Hauptkommissar Otto hat uns zu Dienstbeginn immer zusammengetrommelt, wenn ein neuer Fall anstand.«
    »Er hat dafür gesorgt, dass die heutige Morgenrunde ausfällt«, entgegnete Liebermann trocken. »Wie ich hörte, haben zwei von uns um zehn Uhr einen Termin bei der Witwe Kaiser.«
    Müller ließ einen Teller aufs Abtropfbrett fallen. Zufrieden mit der Reaktion, wandte Liebermann sich an Simon. »Ist schon ein vorläufiger Bericht von Dr. Genrich eingetroffen?«
    Der Anwärter schielte vorsichtig auf Müllers Rücken. »Er liegt auf Ihrem Schreibtisch. Wir dachten, dass Sie ihn zuerst ansehen wollen, bevor wir ihn, äh … zusammen durchgehen.«
    »Ich kenne ihn schon«, erwiderte Liebermann. »Es steht drin, dass Kaiser nicht ertrunken, sondern mit einer etwas aus der Mode gekommenen Droge namens …« Er versuchte, sich zu erinnern. Nicht an den Namen, den Dr. Genrich genannt hatte, das brachte nichts, sondern an die Kachel im Obduktionsraum, an der er dabei hängen geblieben war. »Atropa Belladonna. Besser bekannt unter Tollkirsche. Dr. Genrich zufolge ist Kaiser in der Nacht vom letzten Mittwoch auf Donnerstag in der Havel versenkt worden, und zwar post mortem. Da die giftigen Kirschen in der verabreichten

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