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Katzenmond

Katzenmond

Titel: Katzenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Anlauff
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fürchte, dass sie mir Lucy wegnimmt oder, noch schlimmer, Dich verletzt. Das verstehst Du doch? Vertrau mir, ich werde den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Worte finden. Wichtiger ist aber: Wann können WIR uns sehen?
    Mittwoch, 12:30 Uhr? Du könntest einen »Arzttermin« einschieben. Lass uns etwas essen gehen, auch wenn ich sicher bin, dass ich wahrscheinlich nichts herunterbringe, wenn ich Dein schönes Gesicht sehe.
    Schreib mir! Schnell! Ich wage kaum, vom Rechner aufzustehen, so ersehne ich Deine Antwort.
    Knut
    »Gott, ist mir übel«, sagte Müller. Von draußen drang Gebell. Wolf oder Hund.
    Liebermann betrachtete Constanzes blonden Zopf. »Fellchen?«
    Sie bewegte sich nicht. Die dritte Mail war vergleichsweise knapp.
    Ich erkläre Dir alles, aber komm! Um 12:30 Uhr an der »Möwe«.
    Knut
    Müller schnaufte zufrieden. »Na also, Herr Doktor kann sich auch kurz fassen.«
    »Was an Fräulein van Hoefens Antworten liegen mag«, entgegnete Liebermann und wechselte in den Ordner »Gesendete«. Nach einer Weile begann er, ohne es zu merken, mechanisch mit dem Kopf zu nicken.
    »Warum nicht?«, fragte er, als er fertig war.
    Constanze drehte sich langsam herum. »Wie bitte?«
    Mühsam zwang Liebermann sich einen Schritt zurück. »Bevor Ihre Affäre aufgeflogen ist, war sie da in Ordnung?«
    Anscheinend war er jetzt zu weit zurückgegangen. Oder hatte irgendeinen anderen Fehler gemacht. Das Mädchen starrte ihn an, wie eine kryptische Bastelanleitung.
    »Ich meine, waren Sie in Dr. Kaiser verliebt?«
    Er musste sie wirklich in Verwirrung gestürzt haben, wenn sie sich schon an Müller wandte, der im Moment allerdings auch nicht gerade den Eindruck eines Mentors erweckte. Allmählich begann sich die allgemeine Verwirrung auf Liebermann zu übertragen. »Soll ich die Frage noch einmal anders stellen?«
    »Nein, aber ich meine … Ist Verliebtheit nicht eine Voraussetzung für jede Beziehung?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Liebermann aufrichtig. »Wenn dem so wäre, dann frage ich mich, wie Sie es nach dermaßen«, er klickte auf Kaisers vorletzte Mail, »leidenschaftlichen Liebesbeteuerungen fertiggebracht haben, ihm seinen Wunsch zweimal abzuschlagen.«
    »Ich auch!«, knurrte Müller, der wieder den Anschluss gefunden hatte.
    Sie sahen zu, wie das Wasser über Constanzes unteren Lidrand stieg. »Ich sagte doch schon: Es hatte keine Zukunft. Vielleicht war ich auch überfordert. Am Telefon hatte Knut wie jemand geklungen, der reinen Tisch macht: traurig, aber irgendwie auch erleichtert. Und dann …« Mit schwimmenden Augen sah sie zu Liebermann auf. »Ich hätte mich freuen müssen, oder? Der Mann, den ich liebe, kehrt zu mir zurück. Er ist sogar bereit, seine Frau zu verlassen. Warum konnte ich es ihm nicht glauben?«
    »War es denn so?«, fragte Liebermann sanft und zog einen zerkratzten Stick aus der Hosentasche. Er betrachtete ihn prüfend. Der Stick gehörte ihm nicht, er hatte keine Ahnung, wie er zu ihm gekommen war.
    »Misstraue denen, die ihre Worte wie minderwertige Münzen vor dich streuen«, murmelte Constanze. »Sie funkeln verlockend, aber was dich blendet, ist nur die Vielzahl der Oberflächen. Ein wahrhafter Schatz kommt in einem einzelnen, schweren Taler daher.«
    »Sehr weise«, bemerkte Liebermann. »Aus der Bibel?« Vermutlich gehörte der Stick Nico.
    »Von einer griechischen Dichterin, einer Schülerin der Sappho. Sie hat einen epischen Dialog geschrieben, einen ›Ratgeber für Jungfrauen‹.«
    Müller gähnte.
    »Ein anderer Spruch ist: Nicht zähle zu deinen Freunden die Euphorie. Denn sie ist wie der Gipfel eines Berges, allseits von Abgrund umgeben. «
    »Sie war wohl etwas schwermütig, diese Schülerin der Sappho«, sagte Liebermann.
    »Das eben war nicht von ihr, sondern von einer anonymen mittelalterlichen Mystikerin. Obwohl wir vermuten, dass die wirkliche Urheberin Frau Laurent ist. In letzter Zeit benutzt sie häufig Zitate von mittelalterlichen Mystikerinnen, die alle eine gewisse sprachliche Linie aufweisen.«
    »Und alle verpackte Warnungen sind?« Aus irgendeinem Grund freute Liebermann die Schwäche der Schulleiterin, sich mittels erdachter Zitate einen Platz im Olymp der Weisen erschachern zu wollen. Nebenbei hoffte er, dass Nicos Stick noch Platz für eine weitere Datei hatte.
    Constanze verließ ihren Platz am Fenster und setzte sich auf die Kante ihres Bettes. Knie an Knie sah sie aus wie eine Internatsschülerin aus den Vierzigern. »Warnungen, vielleicht.

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