Katzensprung
Sprünge.«
Olgas Stimme war klirrend, das Glas, das Emilio zu spülen begonnen
hatte, zerbrach ihm in der Hand. Das Spülwasser färbte sich rot, er fluchte und
drückte eine Serviette auf den Schnitt.
»Wir können auch die anderen Stammgäste fragen«, bohrte Olga, »oder
Ihren Kollegen, vielleicht wissen die mehr.«
»Es gab eine Ramona, eine Lehrerin«, krächzte er nach einer Weile,
»sie war hinter mir her, sie kam oft freitags.«
»Und warum fällt Ihnen das jetzt erst ein?«
Er gab seinem Mitarbeiter ein Zeichen und ging mit Olga und Lepple
vor die Tür. Kaum verständlich quetschte er heraus, er habe ein kurzes
Verhältnis mit Ramona Wenkler gehabt, es aber vor einem halben Jahr beendet.
Sie habe zu viel gewollt, für ihn sei es nicht so wichtig gewesen. Ein Flirt,
mehr nicht, eine Affäre, die ihm kaum etwas bedeutet habe. Von dem Tattoo habe
er nichts gewusst, das müsse sie später gemacht haben.
Auf Olgas Frage, wie kurz das Verhältnis gewesen sei, antwortete er
zunächst ausweichend und gab erst nach ihrer Drohung, man werde es ohnehin
herausfinden, zwei Jahre zu.
»Für eine Affäre ganz schön lang. Wir haben Spermaspuren gefunden,
die zum Todeszeitpunkt höchstens drei Tage alt waren, wir können leicht
feststellen, ob sie von Ihnen stammen. Ich muss Sie allerdings darauf
hinweisen, dass Sie nicht verpflichtet sind, sich selbst zu belasten.«
»Heißt das, Sie verdächtigen mich?«
Der Kneipenwirt sackte noch mehr zusammen und lehnte sich gegen die
Hauswand.
»Wir sind verpflichtet, allen Hinweisen nachzugehen.«
»Ja, ich war am letzten Mittwoch noch einmal bei ihr. Sie hat mich
in der Kneipe abgeholt und unter Druck gesetzt, Sie wissen ja, wie das manchmal
so ist. Eigentlich war die Beziehung zu Ende, ich habe versucht, ihr das
klarzumachen.«
»Und dazu mussten Sie mit ihr ins Bett gehen?«
Er versuchte, seine Fassung zurückzugewinnen.
»Hören Sie, ich bin glücklich verheiratet und habe eine Tochter. Ich
möchte, dass Sie meine Frau aus der Sache raushalten.«
Seine Stimme zitterte und war kaum noch hörbar. Olga riss sich
zusammen und blieb kühl. Sie hätte ihn gern härter angefasst.
»Wir haben ein Kapitalverbrechen aufzuklären, da können wir auf Ihre
eheliche Situation leider keine Rücksicht nehmen. Kommen Sie morgen um zehn
aufs Präsidium, damit wir ein Protokoll Ihrer Aussage aufnehmen und eine DNA -Probe entnehmen können. Und jetzt bitte ich um Ihr
Handy, wir müssen die Verbindungsdaten auswerten.«
»Ich habe es nicht mehr«, stammelte Emilio. »Es ist in eine Pfütze
gefallen, und dann habe ich es weggeworfen.«
»So ein Zufall«, parierte Olga, »genau im richtigen Moment. Ich rate
Ihnen dringend, es wiederzufinden und morgen mit aufs Präsidium zu bringen.«
»Aber es hat doch im Wasser gelegen.«
»Sie unterschätzen unsere Möglichkeiten, eine nasse SIM -Karte ist für uns kein Problem. Wenn Sie es nicht
wiederfinden, müssen wir die Mülleimer in Ihrem Haus durchsuchen. Ich weiß
nicht, was Ihre Frau und Ihre Nachbarn dazu sagen würden.«
Ein Trupp junger Leute kam über den Wichlinghauser Markt und winkte
Emilio johlend zu. Er sackte noch mehr zusammen und konnte kaum die Hand heben.
»Bitte sagen Sie mir, wie sie ums Leben gekommen ist«, flüsterte er.
»Sie wurde vermutlich erschlagen und in die Wupper geworfen.« Lepple
bellte wieder, nun mit seiner amtlichsten Stimme. »Im Übrigen müssen wir Sie
noch fragen, wo Sie am Freitagabend waren.«
Emilios Gesicht erhellte sich etwas.
»Ich war nur kurz in der Kneipe und dann den ganzen Abend zu Hause
bei meiner Frau, sie kann das bestätigen.« Ängstlich setzte er hinzu: »Werden
Sie sie auch vernehmen?«
»Darauf können Sie sich verlassen.«
Olga warf Lepple den Autoschlüssel zu. »Abflug«, sagte sie. »Herr
Sassi, wir sehen uns morgen.«
Schöne Augen
Der Frisierumhang umhüllte Lenka vom Hals abwärts. Sie
glich einem hellblauen runden Petit Four, obendrauf thronte das quietschrote
Haar wie eine Maraschinokirsche. Auf dem Küchentisch stand ein Kasten mit
Frisierutensilien. Tülay teilte mit dem Kamm Strähnen von Lenkas Haar ab und
wickelte sie auf Lockenwickler.
Olga schlürfte Kaffee und betrachtete sich mit gerunzelter Stirn in
Tülays Handspiegel. Vielleicht war es diesmal doch zu gewagt.
Ihr Pony verlief in einer steilen Schräge über die Stirn, in den
unteren Rand von Olgas schnurgeraden Haaren, die ihr bis auf die Schulter
fielen, hatte Tülay große, regelmäßige Zacken
Weitere Kostenlose Bücher