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Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch

Titel: Katzentisch - Ondaatje, M: Katzentisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ondaatje
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Auftragsmörder, die in Verbindung zur Welt der Politik standen. Er trug seinen ausländischen Namen weiterhin wie ein Rangabzeichen oder wie einen Affront gegen das Establishment. Es war ein lächerliches Erbe, das er für sich beanspruchte, ein Erbe, das vielleicht von einem fernen europäischen Ahnen herstammte, vielleicht aber auch nicht, und deshalb war das Beharren dieses »Erben« auf dem Namen Spott und Hohn. Nur hin und wieder wünschte sich Asuntha, er wäre da zu ihrem Beistand. Ihr Leben barg seine eigenen Gefahren. Als Akrobatin hatte sie sich einmal die Nase gebrochen und danach das Handgelenk, an dem sie noch immer das letzte Geschenk ihrer Mutter trug, das Armband aus Leder und Perlen.
    Als sie siebzehn Jahre alt war und sich alles erforderliche Können und Selbstvertrauen angeeignet hatte, stürzte sie schwer. Sie probten eine Nummer mit einem vorgeblichen Unfall. Sie sprang von einem hohen Ast, stieß sich am Baumstamm ab und verfehlte den Mann, der sie auffangen sollte, stürzte auf die Straße und schlug mit dem Kopf gegen einen Meilenstein. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, konnte sie Pacipia, die eindringlich auf sie einredete, nicht hören. Trotz der Schmerzen nickte sie ununterbrochen und tat so, als verstünde sie, was Pacipia wissen wollte. Die Angst, die sich verflüchtigt hatte, war wieder da. Von nun an war Asuntha für die anderen sechs Akrobaten, die zu ihrer Familie geworden waren, von keinem Nutzen mehr. Einen Monat später verschwand sie heimlich aus der Welt, die sie sich erwählt hatte, und hörte noch immer nichts.
     
    Als die Zirkustruppe begriff, dass Asuntha nicht wiederkommen würde, schickte Pacipia Sunil auf die Suche nach ihr; er hatte sie aufgefangen, als sie zum erstenmal jemand anders als Pacipia vertrauen musste, und er hatte bei ihrem letzten Sturz verzweifelt versucht, sie zu fassen zu bekommen. Er kam nach Colombo und verschwand. Pacipia hörte nie mehr von ihm.
    Sunil war bei der Voruntersuchung in Niemeyers Verfahren und sah Asuntha unter den dichtgedrängten Zuhörern im Gerichtsgebäude von Colombo. Nach der Verhandlung folgte er ihr in einiger Entfernung eine enge Straße mit schiefen Geländern entlang und danach durch eine Gasse, die zu einer Straße mit lauter Goldschmiedeläden wurde. Chekku Street. Sie sah aus wie eine malerische mittelalterliche Gasse. Asuntha ging weiter, und plötzlich war sie irgendwo auf der Messenger Street verschwunden. Sunil blieb stehen und regte sich nicht. Er wusste, dass sie ihn sehen konnte, auch wenn er sie nicht sah. Sie bemerkte immer schnell, was sich um sie herum ereignete – und seit ihre Angst wieder da war, war diese Fähigkeit vermutlich noch ausgeprägter. Außerdem wusste er nicht, wo er war. Er hatte den Großteil seines Lebens in den südlichen Provinzen verbracht; die Stadt war ihm nicht vertraut. Eine starke Hand ergriff ihn am Arm. Sie zog ihn in einen Raum von der Größe eines Teppichs. Er sagte nichts. Er wusste, dass sie sich wegen ihrer Taubheit schämte. Er setzte sich und schwieg.
    Sie hatte Mühe beim Sprechen, verschliff bereits die Silben der Wörter. Offenbar hatte sie das Gefühl, sie sei nichts wert, nun, da ihr Talent sie verlassen hatte. Er blieb den ganzen Abend in ihrem Zimmer, ließ sie nicht aus den Augen, und am nächsten Morgen ging er mit ihr, wie er es vorgehabt hatte, zu dem Gefängnis, in dem ihr Vater inhaftiert war. Er wartete draußen, als sie hineingelassen wurde, um ihren Vater zu besuchen.
    Ihr Vater beugte sich vor und nannte einen Namen. » Oronsay «, sagte er. »Sunil und andere werden auf diesem Schiff sein und sich um mich kümmern.« Das Schiff fuhr nach England, und sie würden ihm bei der Flucht helfen. Dann steckte er sein Gesicht fast zwischen die Gitterstäbe und redete weiter auf sie ein.
    Draußen vor dem Gefängnis sah sie Sunil, der auf sie wartete. Sie trat zu ihm, umfasste seinen Nacken und sprach ihm ins Ohr, sagte ihm, was zu tun sie sich verpflichtet fühlte und dass ihr Leben nicht länger ihr gehörte, sondern ihrem Vater.

Das Mittelmeer
    RAMADHIN VERSTECKTE SICH IM SCHATTEN .
    Cassius und ich kauerten in einem aufgehängten Rettungsboot. Unter uns an Deck sprachen Emily und der Mann namens Sunil im Flüsterton miteinander. Wir hatten richtig geraten, wo sie sich aufhalten würden, und konnten jedes Wort verstehen, denn ihr Flüstern klang im Inneren des Rettungsboots lauter als draußen. Jedes Geräusch, das sie machten, erfüllte unsere Dunkelheit,

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