Kauffahrers Glück
was die Stationsjustiz zu bieten hatte.
SIEBTES KAPITEL
Der Exekutivrat der
Dublin
war zusammengetreten, und den Mittelpunkt einer solchen Versammlung zu bilden, das war kein angenehmes Gefühl. Sechsundsiebzig von den Postierten und von der zurückgetretenen Besatzung - und der Alte Mann selbst auf dem zentralen Platz am Tisch der Kapitäne, der dem übrigen Raum zugewandt war: Michael Reilly trug das graue Haar der Verjüngung und war biologisch irgendwo in der Nähe von vierzig festgefroren. Ma‘am befand sich in der ersten Reihe hinter den Rudersitzen in dem ersten gewaltigen Salon hinter der Brücke, der als Salon der Postierten diente, wenn er nicht für den Rat gebraucht wurde. Und Ma‘am war umgeben von den anderen am Kom; der Scanner saß an der anderen Seite des Zwischengangs hinter dem Rest des Ruders, und das waren Megan und Geoff und andere. Allison saß mit gelassener Ruhe und gefalteten Händen da, bemühte sich, der geballten Macht der
Dublin
locker ins Gesicht zu blicken, dem ganzen Aufgebot aus ihrer Mutter und den Tanten und der Großmutter und den Vettern und Kusinen verschiedenen Grades. Sie war sich des leeren Platzes von Curran neben ihr allzu deutlich bewusst, Ruder 22; und Deirdres, die auf Platz 23 fehlte; auch NeilIs, der auf Platz 24 saß und versuchte, ein ebenso unschuldiges Gesicht zu machen wie sie. Der Alte Mann und die übrigen Kapitäne hatten einen Stoß Papiere auf dem langen Tisch vor ihnen ausgebreitet. Allison kannte den Inhalt der meisten ziemlich gut. Von manchen aber nicht, und das machte ihr Sorgen.
Der Alte Mann winkte, und Will, rangältester Anwalt in der Familie, trat an den Tisch, beugte sich darüber und redete eine Zeitlang mit allen Kapitänen. Köpfe nickten, Lippen wurden geschürzt, eine langsame, gemächliche Unterhaltung, und anderswo im Raum raschelte auch nicht ein einziges Papier. Der übrige Rat lauschte eifrig; Worte wurden vernommen wie
Papiere
und
Haftung,
auch
Piraterie
und
Unionsstreitkräfte.
Danach kehrte Will zu seinem Platz zurück, und der Rat der Kapitäne sortierte seine Papiere, während Allison darum kämpfte, nicht ihre Hände ineinander zukrallen. Sie hatte einen Knoten im Bauch, und irgendwo in ihrem Rücken saß ihre Mutter und hegte bestimmt mörderische Gefühle über diesen Wahnsinn ihrer Tochter. Menschen verließen ihre Schiffe niemals. Verwandte blieben ein Leben lang zusammen. Und Töchter und Söhne blieben für immer dabei. Connie war noch übrig, sicher - Connie, die anderswo wartete, nicht postiert und daher ohne Berechtigung, hier zu sein. Da gab es noch Freunde und Kusinen, Megans Stütze in einer solchen Zeit. Allison war wie betäubt, davon überzeugt, auf mehr als nur eine Art Verrat zu begehen - und doch konnte sie es ebenso wenig aufhalten, wie sie das Atmen einstellen konnte. Sieg oder Niederlage hingen ganz vom Versuch ab.
»21«, sagte der Alte Mann, »Deine Wache ist nur zum Teil anwesend.«
»Sir«, entgegnete sie ruhig, »sie sind damit beschäftigt, eine Situation bezüglich der
Lucy
zu bereinigen, bevor sie außer Kontrolle gerät.«
»Ich werde mich eines Kommentars enthalten«, sagte der Alte Mann. »Gnädigerweise.«
»Ja, Sir.«
»Ich werde der Bitte um Finanzierung zustimmen. Das hängt davon ab, dass der Rest deiner Wache diesem Transfer, wie du ihn vertrittst, zustimmt.«
»Ja, Sir. « Eine Welle der Kälte und Erleichterung ging durch sie hindurch. »Danke, Sir.«
»Du hast das als eine begrenzte Reise bezeichnet.«
»Ja, Sir.«
»Dann wirst du deinen Status behalten. Deine Wache am Ruder wird nicht frei gemacht werden.«
»Ja, Sir«, sagte sie. Dieses Risiko hatten sie eingehen müssen. Also unterstützte der Rat sie. »Ich danke Euch im Namen der anderen, Sir.«
»Ich möchte mit dir reden«, sagte der Alte Mann. »Privat. Sofort. Der Rat ist entlassen.
Komm auf die Brücke!«
»Sir«, sagte sie sehr leise und fing Neills Blick auf, zwei leere Plätze weiter, während die anderen sich erhoben. Neills Stirn war von Schweiß bedeckt. Er nickte ihr zu. Sie stand auf, blickte über die Stuhlreihen zurück zu Megan und Geoff und begegnete dem Blick ihrer Mutter, ganz so, als gäbe es im Moment niemand anderen im Raum. Ihre Mutter nickte langsam, was eine Woge der Pein in ihr aufwachsen ließ, diese kleine Geste: es war in Ordnung; es war - wenn nicht verstanden - doch akzeptiert.
Danke,
sagte sie tonlos, und ihre Mutter las es ihr von den Lippen ab. Dann drehte sich Allison um und ging zu der
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