Kauft Leute
und er nickte verlegen. Jemand fragte, ob er dabei selber Hand anlegen werde, worauf der Wirt nur errötend den Kopf schüttelte, und es für alle offensichtlich war, dass er das nur allzu gern täte. Corinna öffnete nun eine Box, in der sich ein monströs großer Hut befand. Kiara meldete sich mit Handzeichen als Absenderin und erklärte umständlich, wie sie auf den Hut gestoßen war und aus welchen für niemanden im Raum nachvollziehbaren Gründen er sie an Corinna hatte denken lassen.
Sandra drehte sich zu Christian um, zeigte ihm ein grimassenhaftes Lächeln und den Sieger-Daumen. Christian verstand: Sandras Geschenk würde all das locker ausstechen …
Nachdem Corinna alle Päckchen geöffnet hatte, machte sie die Runde und bedankte sich bei jedem Einzelnen persönlich. Nach einigen Umarmungen und Küssen stand sie vor ihrer Tochter und Christian. Corinna konnte Sandra ansehen, dass sie ihr etwas zu sagen hatte, und Christian glaubte für einen Moment, sie fürchtete sich davor, dass ihre Tochter ihn als neuen Verlobten vorstellen könnte.
Sandra flüsterte: »Ich hab auch ein Geschenk für dich, aber ich will’s dir oben bei mir geben.« Dann ergänzte sie: »Weil es zu groß ist, deswegen.«
Ihre Mutter warf einen Blick in die Runde. »Aber ich sollte jetzt hierbleiben, ein paar werden bald gehen.«
»Es dauert nur fünf Minuten, komm schon!«
Christian hoffte, Corinna würde sich durchsetzen und bleiben. Aber sie sagte bloß: »Dann gschwind!«, und trippelte die Stiege zum Obergeschoß hinauf. Sandra lief hinter ihr her und zog Christian mit sich mit.
Als die drei in Sandras Zimmer waren, schloss das Mädchen die Tür hinter ihnen. Corinna schien überrascht zu sein, dass Christian mitgekommen war. Was hatte er bei dieser Geschenkübergabe zwischen Mutter und Tochter verloren? Wer war er überhaupt? Christian nahm nichts von Sandras Zimmer wahr, weder das riesige dänische Designerbett noch das raumhohe Bild im Graffiti-Style eines jungen Münchner Malers, den Sandra »förderte«, noch die Poster ihrer drei Lieblingsfilme »Pulp Fiction«, »Old Boy« und »Plötzlich Prinzessin«, oder die Papp-Aufstellfigur, die sie selbst in einem superknappen Fummel zeigte. Er stand nur da und wartete darauf, dass er ausgepackt wurde.
Sandra hob an: »Was schenkt man jemandem, der schon alles hat? Im Ernst, in den letzten Jahren hatte ich nicht so gute Ideen. Aber dieses Jahr wollte ich dir etwas Schönes schenken, weil du so lieb warst, als ich … in der Klinik war, na ja.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Jedenfalls warst du voll für mich da, und ich finde, wir waren ein richtig gutes Team dieses Jahr. Und mir geht es jetzt irgendwie wieder richtig gut und ich will, dass es dir auch gut geht! Und dann ist mir eingefallen, wie du mir in der Zeit, wo es mir so schlecht ging, von deinem ersten Freund erzählt hast, dass er ganz anders war als Papa – ein Surfer …!«
Corinna unterbrach ihre Tochter mit steinerner Miene: »Sandra, bitte sag mir, dass der da nicht für mich ist!«
Sandra wischte sich ihr Lächeln und die Tränen aus dem Gesicht und sagte leise: »Doch, wieso denn nicht?«
»Weil wir uns einig waren, dass du dort nicht mehr hingehst!«
»Aber Mama, ich war nicht
dort
! Ich bin nach Wien gefahren, extra nach Wien!«
Corinna sagte langsam, um es ihrer Tochter auch wirklich begreiflich zu machen: »Du weißt, was passiert: Wir geben sie zurück und danach ist alles viel schwieriger für sie!«
Sandra rief: »Den geben wir nicht zurück!«, und stellte sich hinter Christian. »Schau ihn doch an, Mama! Er ist genauso ein Typ wie dein Freund damals, er ist um die ganze Welt gereist, er surft, er taucht, er fährt Motorrad, er hat Tattoos!« Sandra kniete sich plötzlich hin, schob Christians Jeans hoch und zeigte ihrer Mutter seine tätowierte Wade. Christian ließ es geschehen.
Corinna seufzte tief: »Du bist komplett narrisch.«
Sandra nahm eine Mappe vom Bett und reichte sie ihrer Mutter: »Schau mal, bitte, das sind seine Unterlagen: Seine Lebensgeschichte ist wie ein Abenteuerfilm! Ich hab sie noch nicht ganz gelesen, aber er ist wirklich interessant. Und schau dir seinen Persönlichkeitstest an: Er hat ganz viel bei Unkonventionalität und bei Sensibilität. Das ist echt selten! Und er ist süß! Michi sagt, er sieht aus wie der Typ aus ›La Boum
‹
. Und ich hab ihn nur deswegen bekommen, weil ich am ersten Tag, als die Filiale aufgemacht hat, in Wien war. Der wäre sonst
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