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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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ausscheiden würde. Sandra bemerkte, dass ihre Mutter ihren Begleiter schon entdeckt hatte, und stellte ihn betont beiläufig als einen neuen Bekannten vor. Die Hausherrin reichte Christian ihre Hand und sagte mit einem gleichmäßigen Lächeln, das ihre Augen in tausend Jahren nicht erreichen würde, »Servus«. Ihre Freundinnen links und rechts von ihr hoben ihre Hände – die Linke die linke, die Rechte die rechte – und winkten Christian ohne eine Spur von Wärme zu. Der Mindestaufwand. Ganz offensichtlich waren Sandras Eroberungen nicht immer erste Wahl. Möglich, dass der eine oder andere hier bereits mit einem historischen Wandteller unterm Arm in der Früh aus dem Haus spaziert war oder ein bisschen zu früh angenommen hatte, er könne sich die M-Klasse aus der Garage borgen. Christian war die Projektionsfläche für eine Galerie von Versagern und Missgriffen.
    Sandra sagte zu Christian: »Das ist meine Mutter, Corinna!«
    Christian musste Sandra recht geben: Ihre Mutter sah gut aus. Sie trug enge Jeans und eine Perlenkette, über ihre weiße Bluse hatte sie ein Schultertuch mit Paisley-Muster geworfen und an beiden Handgelenken hingen silberne Armreifen. Ihr Gesicht sah im schwachen Licht der Sofaecke aus wie das einer Dreißigjährigen, und nur wenn der Lampenschein sie in einem bestimmten Winkel traf, offenbarten ihre Züge plötzlich etwas Wächsernes und Modelliertes. Sie trug eleganten dunkelroten Lippenstift und Nagellack in der gleichen Farbe, ihre Frisur war aber die einer jungen Frau, ein schulterlanger Stufenschnitt mit blonden Strähnen und fransigem Pony.
    Corinnas Freundinnen waren etwa in ihrem Alter. Britta hatte lange pechschwarze Haare. Sie trug einen dunklen Hosenanzug und eine goldene Kette, die bis in ihren Schoß hing – dazu passend einen goldenen Ring mit einem kronkorkengroßen, mit Steinen besetzten Aufsatz. Sie betrachtete die Gäste, die an ihr vorübergingen, als bewegten sie sich vor ihr auf einem Laufsteg. Sie inspizierte diese oder jene Körperstelle, die sie interessierte, ließ ihren Blick hinauf und hinunter wandern und hatte nicht das geringste Gespür oder Interesse dafür, ob das jemandem unangenehm war.
    Rechts von Sandras Mutter saß Kiara. Sie war eine blasse, rothaarige Ex-Stewardess, und Sandra flüsterte Christian zu, sie sei vor einigen Jahren von dem Mann, den sie über alles geliebt hatte, geschieden worden und gehe seitdem keiner besonderen Tätigkeit mehr nach.
    Während sich Sandra zu ihrer Mutter und ihren Freundinnen gesetzt hatte, blieb Christian am selben Fleck stehen, wo ihn Sandra zuletzt abgestellt hatte. So wie jeder andere kannte er das Gefühl, auf einer Party zu sein, auf der er eigentlich nichts verloren hatte, aber ihn beschlich nun die niederschmetternde Ahnung, diese Party würde den Rest seines Lebens andauern. Bei den Filmscreenings auf der Terrasse des befreundeten indischen Regisseurs hatten sie Luis Buñuels »Würgeengel« gesehen. Die Geschichte einer Party, deren Gäste nicht mehr in der Lage sind, diese zu verlassen, obwohl Türen und Fenster offen stehen, hatte Christian fasziniert. Jetzt aber befand er sich selbst plötzlich in einem ähnlich verstörenden Szenario.
    Mitten in Christians Gedanken hinein erschien Michi mit der Geburtstagstorte. Einer der Gäste griff zur Gitarre und spielte die Akkorde von »Happy Birthday«. Die Runde vom Kamin und jene aus der Nische schlossen sich den Leuten beim Sofa an und stimmten ins Geburtstagslied ein. In den anschließenden Applaus hinein forderten ein paar Gäste, Corinna solle jetzt die Geschenke öffnen. Das erste, das sie auspackte, war ein Buch mit dem Titel »Der Traum-Schöpfer – entscheide selbst, was du träumst!«. Corinna sah etwas ratlos in die Runde, woraufhin die Journalistin mit den bunten Hörgeräten erklärte: »Es funktioniert wirklich: Du liest eine der Geschichten aus dem Buch mit ganz bestimmten Traumschlüsselwörtern, die du dir aussuchst, und dann träumst du davon!« Der Szene-Gastronom hob den
Playboy
hoch und rief: »Ich hob auch so eins, und sakra, es funktioniert!« Die Gäste pfiffen, und Corinna formte für die Journalistin mit den Lippen das Wort »Danke« und drückte das Buch an ihr Herz – als Zeichen, dass sie sich
wirklich
freute. Als Nächstes öffnete sie einen Umschlag. Sie las die Karte vor, die darin steckte: »Ein Gutschein für eine Ayurveda-Behandlung in deinem Lieblings-Unterschlupf am Starnberger See.« Sie sah in Richtung des Junior-Wirts

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